Die Frauen reißen's raus: HSV könnte aufsteigen

Was die Männer nicht schafften, dürfte den HSV-Fußball­frauen nach einem 4:0-Hinspielsieg gegen den Bremer Verein ATS Buntentor gelingen.

Zwei Spielerinnen umarmen sich

Freut sich über den Sieg: Kimberly Zietz Foto: Andrea Kueppers

HAMBURG taz | Am Ende haben sie kaum noch Kraft zum Jubeln. Die Trinkflaschen kreisen, verschwitzte Trikots werden vom Körper gerissen, Hände werden zu Schöpfkellen, um mit dem Wasser aus den bereitstehenden Eimern die salzverkrustete Gesichtshaut zu kühlen. Am Ende ist alles gut: Die Frauenfußballerinnen des HSV haben die Hitzeschlacht erfolgreich hinter sich gebracht, das Hinspiel gegen den Bremer Oberliga-Meister ATS Buntentor überlegen mit 4:0 (0:0) gewonnen und damit das Tor zur Regionalliga ganz weit aufgestoßen.

45 Minuten hatte es ganz und gar nicht nach einem Kantersieg ausgesehen. Die Partie schwappte, wenn es nicht gerade eine zwangsverordnete Trinkpause gab, ausgeglichen hin und her. Beide Teams hatten Chancen, um in Führung zu gehen, die sie kläglich vergaben. Erst ganz am Ende von Halbzeit eins konnte der aufmerksame Beobachter bemerken, dass die Kräfte der Bremerinnen bei 29 Grad langsam schwanden, zumal auf dem Spielfeld kein Schatten vorhanden war.

„Ich wusste, dass mein Team mental und konditionell stärker ist und die Hitze uns in die Karten spielt“, verriet Trainer Manuel Alpers nach der Partie. Nach einer scharfen Hereingabe von Markella Koskeridou, die eine Bremer Verteidigerin nach 50 Spielminuten nur noch ins eigene Tor lenken konnte, brachen alle Dämme: Innerhalb von 15 Minuten zogen die HSV-Spielerinnen durch Tore von Carla Morich, Anna Hepfer und Emma Burdorf-Sick auf 4:0 davon – kaum vorstellbar, dass die Bremerinnen dieses Ergebnis am 9. Juni noch egalisieren können.

Der HSV steigt demnach vermutlich auf. Das, was die hochbezahlten Fußballmänner gerade so jämmerlich vergeigt haben, dürfte der Frauenmannschaft kommendes Wochenende gelingen. Nur das hier alles – bis auf die Größe der Tore und des Spielfeldes – drei Nummern kleiner ist. Es geht „nur“ um den Aufstieg in die dritte Liga, die Regionalliga. Die Kulisse besteht aus 238 zahlenden ZuschauerInnen, die – inklusive Topzuschlag – gerade mal drei Euro zahlen müssen, um der Partie beizuwohnen. Und auch die Frikadelle gibt es hier, auf dem Norderstedter Kunstrasenplatz, noch für einen Euro auf die Hand.

Furchteinflößendes Torverhältnis

Dabei gibt es hier zu sehen, was am Volkspark so vermisst wird: Munterer und auch noch erfolgreicher Angriffsfußball. 20 Saisonspiele, 20 Siege, bei einem furchteinflößenden Torverhältnis von 123:9 – die Meisterschaft in der Oberliga Hamburg war für die Fußballfrauen des Hamburger SV der hoch verdiente Lohn für eine herausragende Gesamtleistung.

Schon der Auftakt zu den entscheidenden elf Tagen der Saison gelang am Himmelfahrtstag nach anfänglichem Stottern doch noch überzeugend. Im Finale um den Hamburger Pokal setzten sich die Favoritinnen nach 0:1-Halbzeit-Rückstand mit 4:2 gegen den Dritten der klassentieferen Oberliga FC Union Tornesch durch.

Als seine Spielerinnen mit dem Pokal in den Händen freudetrunken über den Kunstrasen in Barmbek sprangen und wiederholt „Double-Sieger“ oder „Wer nicht hüpft, der ist ein Bremer“ und auch „Die Nummer eins der Stadt sind wir“ anstimmten, saß Trainer Manuel Alpers ganz gelassen auf der Ersatzbank und sah sich das wilde Treiben mit einem Lächeln an.

Manuel Alpers,Trainer HSV-Frauen

„Ich wusste, dass mein Team mental und konditionell stärker ist und die Hitze uns in die Karten spielt“

Der große Ehrgeiz des 41-Jährigen ist noch lange nicht gestillt. So schön der Gewinn des Landespokals und die damit verbundene Qualifikation für den DFB-Pokal auch sind, der Aufstieg in die drittklassige Regionalliga ist für den Verein so viel wichtiger.

Genau diesen hatte Alpers vor dem Beginn der Saison gegenüber Hamburger Medien („Wir wollen Meister werden und in die Regionalliga aufsteigen“) als Ziel auch klar benannt – auch wenn er am Himmelfahrtstag davon sprach, dass man dem eigenen Zehn-Jahres-Plan durch einen Sprung in die Regionalliga um ein, zwei Jahre voraus wäre. Den Plan, mit den Frauen nach zehn Jahren in der Zweiten Liga angekommen zu sein, präsentierte der Verein im Mai 2018.

Dass es beim HSV überhaupt eine Strategie für den Weg zurück nach oben gibt, ist bemerkenswert genug, angesichts der Vorkommnisse der Vergangenheit. Nach der Abmeldung der zweiten Mannschaft im Jahr 2011 wurde im darauffolgenden Jahr dann auch noch das erste Team aus der Bundesliga, die auch bei den Frauen die höchste Spielklasse ist, abgemeldet.

Kein Geld für die Frauen

In jenem Verein, der vielen seiner kickenden Profi-Männer Jahresgehälter in Millionenhöhe bot, fehlte es an 100.000 Euro, um den 750.000-Euro-Etat der Frauen für die kommende Bundesliga-Saison zu stemmen. Der damalige Vorstandsvorsitzende Carl Jarchow verwies auf wirtschaftliche Zwänge: „Der Vorstand bedauert sehr, die Bewerbung aufgrund der finanziellen Rahmenbedingungen für die Saison 2012/13 zurückgeben zu müssen.“ Es hätten sich, bei aufrichtiger Betrachtung der Gesamtlage, sicherlich auch andere Spielräume für Einsparungen finden lassen.

Einer aus dem Kreis der HSV-Profis, Marcell Jansen, erkannte damals offensichtlich, wie irrwitzig die Begründung „Sparzwänge“ erscheinen musste. Der jetzige Präsident des Hamburger SV e. V. erklärte sich damals zur einer Solidaraktion bereit. Er wollte 5.000 Euro geben. Wären weitere 19 Mitspieler seinem Beispiel gefolgt, wäre für die HSV-Frauen die kommende Bundesliga-Spielzeit gesichert gewesen. Dazu kam es aber nicht.

Die Frauen wurden auf Geheiß der Klubführung in die kostengünstigere, drittklassige Regionalliga zurückgestuft. „Das war ganz schön hart. Wir fühlten uns nicht willkommen. Die damalige Klubführung hatte einfach keine Lust mehr auf uns“, sagte Anna Hepfer, die den Rückzug aus der Bundesliga schon als HSV-Akteurin erlebt hat. Die Defensivspielerin wechselte daraufhin zunächst zum HSV-Stadtrivalen FC Bergedorf 85, danach zum Bramfelder SV.

Im vergangenen Sommer kehrte sie zum HSV zurück. „Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Ich musste lange überlegen, ob ich das mache“, räumte die Studentin auf Lehramt (Religion und Sport) ein. Bereut habe sie den Schritt aber nicht. „Es ist anders als damals“, sagt Hepfer. Es gebe im Verein eine größere Wertschätzung.

Die Einstellung ändert sich

Die aktuelle HSV-Kapitänin Franka Dreyer ging aus ihrer Heimat Osnabrück 2013 lieber nach Bergedorf als zum HSV, wo sie ursprünglich ihre Zukunft gesehen hatte. „Ich fand das damals ziemlich krass. Der HSV kam erst mal für mich nicht infrage“, sagte die 28 Jahre alte Studentin der Medizin. „Es hat sich aber durchaus etwas geändert.“ Hepfer und Dreyer sind dabei die absoluten Oldies in einer jungen HSV-Truppe, in der acht der elf Frauen, die gegen Buntentor aufliefen, zwischen 19 und 21 Jahre alt sind.

Auch dies ist das Ergebnis einer Strategiewende. Der erste Schritt zurück aus dem tiefen Tal der Viertklassigkeit soll nun am kommenden Sonntag unter einem Trainer gelingen, der vor einigen Jahren mit Frauenfußball nichts anfangen konnte.

„Ich war überhaupt kein Fan. Gut, ich kannte Namen wie Heidi Mohr, Birgit Prinz und Silvia Neid, aber das war es dann auch schon. Frauenfußball habe ich praktisch nicht verfolgt“, sagte Alpers. Dies änderte sich 2006, als er zwei Freundinnen zum Training des damaligen Bezirksligisten Bramfelder SV begleitete und – in Ermangelung eines Übungsleiters – als Trainer einsprang.

Mit Bramfeld stieg er bis in die Zweite Liga auf. Alpers weiß also, wie es geht. Und den Frauenfußball hat er schätzen gelernt: „Die Mädels bleiben nach Fouls nicht lange liegen, es ist weniger theatralisch als bei den Männern. Frauenfußball ist einfach extrem ehrlich.“

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