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Die Folgen des BahnstreiksUnion wie Mehdorn für Einheitstarif

Der Bahn-Streik macht deutlich, dass das Prinzip "ein Betrieb, ein Tarifvertrag" bald nicht mehr gilt. Augerechnet die Union will nun ein Gesetz machen, das einheitliche Tarife erzwingt.

So stellt Mehdorn sich Tarifabschlüsse vor: Ein Händedruck mit einem Partner (hier Transnet-Chef Norbert Hansen im Juli). Bild: ap

BERLIN taz "Wer die Axt anlegt an die Tarifeinheit in Unternehmen, legt die Axt an den sozialen Frieden im Betrieb", sagte DGB-Chef Michael Sommer zuletzt auf dem IG Metall-Kongress. Und auch die Union erwägt neuerdings, die Tarifeinheit in den Unternehmen unter gesetzlichen Schutz zu stellen. Dann könnten in einem Betrieb nur die Bestimmungen eines einzigen Tarifvertrags anwendbar sein. Sogar SPD-Chef Kurt Beck warnte am Sonntag davor, die Hartnäckigkeit der Lokführer im Kampf für einen eigenen Tarifvertrag könnte zu einer Gängelung der Gewerkschaften führen wie in Maggie Thatchers Großbritannien.

Ohne eine solche Tarifeinheit, appellierte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn an Kanzlerin Angela Merkel, würde die Sozialpartnerschaft Schaden nehmen. Die Lokführergewerkschaft GLD sieht das freilich anders und will einen eigenen Tarifvertrag für das Fahrpersonal mit eigenen Entgelt- und Arbeitszeitregeln durchsetzen.

Seit dem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Chemnitz vor zwei Wochen hat die GDL das Recht, dafür zu streiken: Ob ein zusätzlicher Tarifvertrag zu Problemen für den Arbeitgeber führe, könne nicht schon bestimmt werden, bevor dieser Vertrag überhaupt ausgehandelt ist, urteilte das Gericht. So hatte auch schon 2003 das Landesarbeitsgericht Frankfurt am Main entschieden, als die Bahn ebenfalls GDL-Streiks mit Verweis auf die Tarifeinheit verhindern wollte.

Tatsächlich gibt es für das Prinzip der Tarifeinheit keine gesetzliche Grundlage. Im Tarifvertragsgesetz ist die Tarifeinheit jedenfalls nicht geregelt. Vielmehr ist sie eine "Erfindung" des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem Jahr 1957. Es gibt allerdings Indizien, dass das BAG das Prinzip wieder aufgeben will. Ein lange erwartetes Grundsatzurteil zu dieser Frage fiel im März dieses Jahres jedoch aus, weil sich die Streitparteien außergerichtlich einigten.

"Hier muss die Politik bewusste Entscheidungen treffen und die Weichen stellen", fordert deshalb Bahn-Chef Mehdorn. Er will nicht von Gerichten abhängig sein, vielmehr soll die Tarifeinheit gesetzlich festgeschrieben werden.

Die Frage ist aber, ob ein derartiges Gesetz überhaupt verfassungskonform wäre. Schließlich garantiert das Grundgesetz den Bürgern die freie Bildung von Gewerkschaften. Eine Bevorzugung der großen DGB-Gewerkschaften ist dort nicht zu erkennen. Und gerade wegen dieser verfassungsrechtlichen Probleme wird ja auch damit gerechnet, dass das BAG seine Rechtsprechung zur Tarifeinheit demnächst aufgibt. Vermutlich können Wirtschaft und Groß-Gewerkschaften den Trend zu einem liberaleren Tarifrecht nicht aufhalten.

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2 Kommentare

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  • E
    Echnaton

    Man dreht sich wie das Fähnchen im Wind. Vor einigen Jahren wurde immer vor zu starken Einheitsgewerkschaften gewarnt. Welches Geschrei hörte man, als sich V.E.R.D.I. einige kleine Gewerkschaften einverleibt hat. Was ist so gefährlich an kleinen starken Gewerkschaften? Mit den großen haben wir in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Da wird mit dem Vorstand gekungelt, Korruptionsversuche sind leider gang und gäbe. Ich glaube, eine kleine, ihrer Verantwortung für ihre Klientel bewußten Gewerkschaft muss das Kapital fürchten, wie der Teufel das Weihwasser. Ich kann der GdL nur Erfolg wünschen. Das ist ein Fanal für die nächsten Tarifauseinandersetzungen, in denen die Arbeiter vielleicht auch ihre berechtigten Forderungen durchsetzen wollen.

  • CM
    Christian Münster

    Die "Tarifeinheit" ist doch eine Farce.

    In welchem grösseren Betrieb gibt es heute noch "eine" Gewerkschaft und "einen" Tarif?

    Da wird die Kantine nach Nahrung und Genussmitteln ausgegliedert. Das Putzen wird vergeben, der Werkschutz und die Monteure für Reparaturen, arbeiten nach IG-Metalltarif wenn der billiger ist!

    Also nichts mit "ein Betrieb" ein Tarif.

    Nur was dem einen Recht ist, sollte dem anderen Billig sein.

    Wenn Herr Mehdorn klever wäre, würde er die Lokführer ausgliedern und die neue Gesellschaft könnte dann eine für alle, auch Kunden, befriedigenden Tarifvertrag abschliessen.