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Archiv-Artikel

Die Flut aus dem Süden KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Der Satz war eigentlich scherzhaft gemeint. Nur eine neue Flut oder ein neuer Krieg könnten Gerhard Schröders Kanzlerschaft noch retten, hieß es unter Wahlkämpfern seit Wochen. Niemand hatte auf der Rechnung, dass der Atomstreit mit dem Iran pünktlich zur heißen Wahlkampfphase eskalieren könnte. Vor allem aber dachte niemand an die Möglichkeit, dass ein führender Unionspolitiker selbst eine wahre Flutwelle von Beschimpfungen über die wahlentscheidenden Ostdeutschen ausgießen könnte.

Nun ist die Kriegsgefahr im Iran nicht konkret genug und Schröders Bush-Kritik zu abgenutzt, als dass das Thema erneut eine Wahl entscheiden könnte. Auch ist Rot-Grün gut einen Monat vor der Wahl von einer Mehrheit noch immer weit entfernt. Doch das Ost-Thema, von Schröders Fluteinsätzen einst ebenso berührt wie jetzt von Stoibers Attacken, kann auch diesmal einen sicher geglaubten Sieg noch verhindern. Gut möglich, dass die erhoffte Mehrheit von Union und FDP in den vergangenen Tagen schon untergegangen ist.

Nicht, dass ein paar Ungeschicklichkeiten schon den Ausgang einer Wahl entscheiden könnten. Aber der Wirbel um Stoiber gehört zu jener Art von Wahlkampfpannen, die dem Wahlvolk die Schwächen einer politischen Formation schonungslos offen legen. Sie lenken den Blick auf zwei Schwesterparteien, die seit ihrer Wahlniederlage 2002 nicht das Geringste gelernt, sondern nur unverschämt viel Glück gehabt haben. Die ihre inneren Zwistigkeiten nicht überwunden und in wichtigen Teilen noch kein Sensorium für gesamtdeutsche Verantwortung entwickelt haben. Die bayerische Regionalpartei spiegelt derzeit fast exakt jenes Bild des Separatismus und des Ressentiments, das Stoiber der ostdeutschen PDS zum Vorwurf macht. Das macht seine Kritik, die ja nicht in allem unberechtigt ist, so selbstgerecht und unwürdig. Das Problem ist nur: Anders als die PDS ist die CSU aus der Regierung nicht leicht fern zu halten.

Seit der Wahl von 2002 galt es als ausgemacht, dass die Union mit einem CSU-Kandidaten nicht gewinnen kann. Nun stellt sich die Frage neu. Sie lautet, ob die Union überhaupt mit der CSU gewinnen kann.