Die Fettration: Alles in Butter
Mit Harissa oder Wasabai mischen, in die Soße rühren oder aufs Brett schmieren: Butter ist nicht nur im Land des Abendbrots essenziell.
Schon als Kind war ich verrückt nach Butter. Wenn am Frühstückstisch die Butterdose leer war, wollte ich es sein, der das neue Paket öffnet. Ich liebte es, daran zu riechen. Es roch nach frischem Gras.
Eine Liebe, die – trotz der bedenklichen CO2-Bilanz von Butter, fast doppelt so hoch wie bei Rindfleisch – bis heute andauert. Und für die 2022 ein echt fettes Jahr war. Das begann schon im April, als der Londoner Chefkoch Thomas Straker auf seinem Instagram-Kanal seine wunderbar schrullige Reihe „All things Butter“ startete. In fünfzig superkurzen Videos zeigt er, dass mit einem Mixer quasi jede Zutat zu einer neuen Buttersorte verarbeitet werden kann. Darunter sind bekannte Kombinationen wie Bärlauchbutter, aber auch jede Menge unkonventionelle, wie Bloody-Mary-, Beeren-, Schawarma- oder Kaffeebutter. Bisweilen gibt es auch ein Gericht dazu: Die Wasabibutter kommt aufs Thunfischsteak, die Harissa-Chili-Butter mit geschmorten Schalotten auf gebratene Blumenkohlscheiben.
Mein Favorit ist Folge 4, ein Klassiker der französischen Küche: Beurre noisette, braune Butter. Dafür wird ein halbes Paket Butter in einer Pfanne auf niedriger Flamme langsam geschmolzen. Wenn sich der Schaum aufgelöst hat, kann man durch die flüssige Butter auf den Boden der Pfanne blicken, wo sich braune Partikelchen abgesetzt haben. Nun kommt die heiße Butter aus der Pfanne in eine kalte Schale, wo sie mit einem Schneebesen fest geschlagen wird. Das Ergebnis ist eine nussig schmeckende Butter, die jedes Gericht zu einem Highlight werden lässt.
Auch die Craft- und DIY-Bewegung hat die Butter entdeckt. Auf immer mehr Kochblogs finden sich Rezepte, wie man sie sich aus Milch oder Sahne selbst schlägt. Frische, handwerklich hergestellte Butter gehört in vielen kontemporären Restaurants und Bistros zum guten Ton, meist wird es mit Sauerteigbrot serviert.
Längst dient die Minibrotzeit vor dem eigentlichen Menü weniger dazu, den ersten Hunger zu stillen; sie soll demonstrieren: „Schaut mal, so etwas Minimalistisches wie Butter und Brot kann so gut schmecken.“
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Dass Butter die Wunderwaffe der Küche ist, überrascht natürlich niemanden. Wer je probiert hat, Gewicht abzunehmen und Fett in der Nahrung reduziert hat, weiß: Ohne Butter schmeckt alles nur halb so gut. Schon Anthony Bourdain schrieb in seinem Bestseller „Kitchen Confidential“ treffend: „If you eat at any good restaurant, assume you’ve eaten a stick of butter.“
Und dann gab es 2022 noch die Butterboards – ein viraler Trend, der im September auf TikTok seinen Anfang nahm. Hier wird zimmerwarme Butter in kunstvollen Mustern auf ein Holzbrett aufgetragen, dann mit allerlei Zutaten gespickt und anschließend in großer Runde mit geröstetem Brot oder mit Crackern wie ein Dip vom Brett gekratzt. Auf den ersten Blick sehen die Boards aus wie bunt belegte Flammkuchen, bevor einem klar wird, dass der vermeintliche Teig das Brett ist. Es gibt herzhafte Varianten mit Meersalz, Kräutern und Chili oder süße Kreationen mit Honig, Feigen und Walnüssen.
Butterboards sind ein US-amerikanischer Beitrag zur südeuropäischen Apéritif-Kultur; eine Art unbeholfene Weiterentwicklung französischer Charcuterie-Boards, bei denen eben Wurstwaren zum Snacken auf Bretter drapiert werden. Ob es bei den gebutterten Brettern mehr um Optik oder um Kulinarik geht, ist wie bei den meisten TikTok-Foodtrends nicht ganz klar.
Mich haben die Boards jedenfalls trotz aller Butterliebe nicht komplett überzeugt, aber das mag an meiner deutschen Perspektive liegen. Wenn man aus dem Land des Abendbrotes und der Brotzeit kommt, wirkt es doch etwas umständlich, Butter auf ein Brett zu schmieren, bevor sie aufs Brot und dann endlich in den Mund kann. Oder anders gesagt: Ich lass mir einfach nicht gern die Butter vom Brot nehmen.
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