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Die Farbe der Liebe ist politisch

Heute ist Valentinstag, der Tag des Herzens, der Liebe und der roten Rosen. Doch die Farbe Rot steht auch für Politik: für Arbeiterbewegung, Revolution und Sozialismus. Und woran denken Berliner Politiker, wenn sie Rot sehen? Eine Umfrage

„In rot gestrichenen Räumen wird mir schummerig.“

taz: Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Farbe Rot denken?

Klaus Wowereit: Liebe, Herz.

Klaus Landowsky: Wärme, Lebendigkeit, Aufregung. Von der Ästhetik her finde ich, dass eine blonde Frau sehr gut zu Rot passt. Und ich habe eine Affinität zu den leuchtend roten Farben expressionistischer Maler wie Kandinsky.

Freke Over: Unsere Parteifarbe und vielleicht die Feuerwehr.

Wolfgang Wieland: Ich denke politisch und damit an die traditionelle Bedeutung von Rot als der Farbe der Arbeiterbewegung und des Fortschrittes. Heute ist es mit Rot-Grün wie mit der Ampel: Rot bedeutet Stillstand, Grün bedeutet Fortschritt.

Landowsky: Als Bürgerlicher denke ich bei Rot eher an die Farbe der Revolution, Barrikade, Gewalt, Sozialismus und geballte Fäuste. Und an das rote Telefon als letzte Escapemöglichkeit.

Haben Sie Angst vor roten Kleidungsstücken?

Landowsky: Auf gar keinen Fall! Ich trage sehr gerne rote Krawatten. Aber ich kann mir vorstellen, dass ein Sozialdemokrat Probleme hätte, eine schwarze Hose, schwarzen Rollkragenpullover und ein schwarzes Boss-Jackett anzuziehen.

Wowereit: Meinen sehr schönen roten Pullover ziehe ich nur zum Golfspielen an. Ein rotes Jackett ist unmodern, das ist eher etwas für einen 60er-Jahre-Ball.

Over: Ich trage immer bunte Hemden, also auch rote. Das geht danach, was gerade im Schrank hängt – heute ein lila Hemd.

Warum bedeutet Rot politisch links?

Over: Keine Ahnung, das ist so, seit ich mich erinnern kann. Früher war es ja eher die Farbe der Könige.

Landowsky: Das Blut der Revolution auf Bannern und Fahnen der kommunistisch-sozialistischen Bewegung.

Wowereit: Das stammt aus der Farbsymbolik der Arbeiterbewegung. Die Nelke zum Beispiel war schon immer rot.

Wieland: Die Freiheitsfahne. Es ist das Rot aus der Trikolore, der Fahne der Französischen Revolution.

Wer ist für Sie ein typisch roter Politiker?

Over: Gregor Gysi. Wenn man über die PDS hinausguckt, dann Oscar Lafontaine.

„Ich will kein Orange, auch kein Lila. Ich will ein kräftiges Rot.“

Wieland: Der letzte wahre rote Politiker ist mit Mao gestorben. Danach fällt mir kaum noch jemand ein, der ernst zu nehmen wäre.

Wowereit: Historisch sicherlich Bebel, aktuell bin ich kaum geneigt, Lafontaine zu sagen.

Landowsky: Alle PDS-Repräsentanten, besonders Sarah Wagenknecht. In Berlin natürlich Walter Momper mit seinem roten Schal.

Sind die Roten noch rot?

Over: Das politische Spektrum von Rot fängt am rosa Rand mit der SPD an. Die PDS ist ganz klar rot. Ansonsten identifizieren sich verschiedene linke Kleinstgruppierungen wie die KPD-Aufbauorganisation mit Rot. Für die ist die PDS rosa.

Wowereit: Der SPD wird vorgeworfen, sie sei rosa. Ich mag klare Farben. Ich will kein Orange, auch kein Lila, ich will Rot haben. Ein kräftiges, leuchtendes Rot! Es gibt aber keine Klassenkampfparteien mehr. Wir können nicht mit dem alten Marx unter dem Arm die Probleme der heutigen Zeit lösen.

 Deshalb gibt es eine Wandlung der Programmatik der SPD. Im Übrigen finde ich die Enttabuisierung der PDS richtig. Sie ist eine große Partei mit hohem Wählerzuwachs. Man muss sie ernst nehmen, sie ist demokratisch legitimiert.

Wieland: Rot ist eine Modefarbe, die Farbe der Info-Box. Die klassische Prägung als Farbe der Emanzipation der Arbeiter als Symbol des gesellschaftlichen Fortschritts ist nicht mehr da. Ich habe lange keine roten Fahnen mehr auf Demonstrationen gesehen, nicht einmal mehr am Ersten Mai.

 Die Wähler haben den Eindruck, es ist egal, wen sie wählen. Heute fehlen die großen Auseinandersetzungen der Nachkriegszeit: Rot gegen Schwarz, links gegen rechts. Sämtliche Parteien, auch die PDS, befinden sich im Wettlauf um die Mitte. Keine will mehr links sein. Schon vor zwanzig Jahren wurde gesagt, der Papst sei linker als Breschnew.

 Der Teil der Welt, der rot eingefärbt war, ist an Stagnation eingegangen. Staaten wie China, die immer noch die rote Fahne schwenken, kopieren den Westen. Rot ist nur noch Nostalgie.

Landowsky: Volksparteien wie SPD und CDU stehen in der Mitte. In der Mitte gibt es kein Rot.

Was halten Sie von dem roten Schriftzug der CDU?

„Rot bedeutet Stillstand. Grün bedeutet Fortschritt.“

Wieland: Landowsky wird sagen, dass die CDU als Volkspartei auch das Rote verteidige. Aber es steht nicht für soziale Aspekte. Ich bin fest davon überzeugt, dass das ein Grafiker entworfen hat.

Wowereit: Die hatten sogar mal Grün in ihrem Logo. Das ist Etikettenschwindel!

Landowsky: Das Rot im CDU-Schriftzug sehe ich eher als orange, als Signalfarbe.

Wieland: Die rote Farbe ist zum Plündern freigegeben. Jeder bedient sich frei daran.

Rot scheint in Deutschland ein politisches Schimpfwort zu sein?

Wieland: Bei den Rechten sicherlich. Rechte Hand ist gut, linke Hand ist böse, mit der schreibt man nicht, die gibt man nicht. Links ist gesellschaftlich geächtet, das war schon immer so.

Landowsky: Vom Sprachgefühl her ist es auf jeden Fall keine Sympathiebezeugung.

Wowereit: Das kann passieren. Aber genauso sagen wir zu einem CDUler, dass er auch im Kohlenkeller noch einen Schatten werfen kann. Das gehört zum politischen Geplänkel.

Over: Wenn man mich als Roten beschimpft, habe ich damit kein Problem. Die Rote-Socken-Kampagne lief ja auch ins Leere. Im Gegenteil, Omas haben Kleinstsocken gestrickt, die sich dann alle ans Revers geheftet haben, das war prima.

 Die Polemik der CDU gegen die böse SED von einst hat aufgehört. Es ist Normalität eingekehrt.

„Bei Rot denke ich an Revolution, Barrikade, Gewalt, Sozialismus.“

Drei rote Gegenstände zu Hause?

Wieland: Knallrote, selbstlackierte Schränke. Eine wunderschöne weinrote Krawatte. Eine sehr weinrote, nein, dunkelviolette Sitzgarnitur.

Wowereit: Zu Hause? Im Büro ist mehr Rot. Rote Pflanzen und ein sehr schönes großes Ölgemälde.

Landowsky: Ein expressionistisches Bild von Artur Degner. Meine Frau in ihrem roten Kostüm. Viele rote Krawatten.

Over: Rote Lampen, rote Fußleisten, meine Kinder haben einen roten Ball. Rot gestrichene Räume kann ich allerdings nicht vertragen, davon wird mir schwummerig.

Zusammengestellt von KIRSTEN BLANKE und CORDULA BINDER

Klaus Landowsky (58) ist Fraktionsvorsitzender der CDU. Freke Over (33) ist Abgeordneter der PDS. Wolfgang Wieland (52) ist Fraktionschef von Bündis 90/Die Grünen. Klaus Wowereit (47) ist Fraktionsvorsitzender der SPD.

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