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taz sachenDie Falle lauert im Archiv

Dass etwas Fakt ist, muss man anhand von zwei unabhängigen Quellen belegen können. Journalisten lernen diesen Grundsatz früh. Schön werden Fakten aber, wenn man sie mit ein paar Schnurren verbinden kann. Zum Beispiel über Markus Söder, den kommenden Ministerpräsidenten der Bajuwaren. Dessen Ideen seien so krude, „dass man annehmen musste, dieser Mann spüre keinen Schmerz“, schrieben letzte Woche die Kollegen der Süddeutschen Zeitung auf ihrer Seite 3 und zählten auf: „Er wollte Tram-Schwarzfahrern an einen Internet-Pranger stellen, er wollte die Grünen-Fraktion im Bundestag zum Drogentest schicken, er wollte Kindern anständige Namen geben: ‚Wir haben genug Kevins. Wir brauchen wieder Klaus.‘ “ Das ist so schön, dass es ähnlich auch 2015 in der SZ, 2007 im Stern und im März in der taz stand.

In der taz war das schon im Januar 2004 zu lesen – in einem Text, an den sich der heutige Spiegel-Online-Redakteur und frühere tazler Stefan Kuzmany gut erinnert. Er hatte die Aussprüche nämlich erfunden. „Die Söder-Agenda“ hieß der Text, unter dem er den Quark des damaligen Nachwuchspolitikers auflistete – mit der Vorabbemerkung: „Die taz prophezeit exklusiv seine nächsten bahnbrechenden Vorstöße.“ Dabei hat er wohl so glaubhaft übertrieben, dass es heute als Fakt gilt.

„Wie Söder Politik betreibt, grenzte bisweilen an Satire“, schrieben die SZ-Kollegen nun ganz richtig. Für ihre Porträts zur Amtseinführung Söders sollten sich alle Schreiber aber besser neue Anekdoten suchen. Vorsicht: Die Archive sind voll davon.

Gereon Asmuth

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