■ Die „FAZ“ stellt ihre Osttochter „Neue Zeit“ ein: Öde Zeitungslandschaften
„Völlig überrascht“ zeigte sich Monika Zimmermann, bis gestern Chefredakteurin der Neuen Zeit, davon, daß der FAZ-Verlag ihr Blatt Knall auf Fall eingestellt hat. Gerade sie hätte am wenigsten überrascht sein dürfen. Sie wußte um die 100 Millionen Verlust, die niedrige Auflage (33.000) und die fehlenden Anzeigen. Setzen konnte sie eigentlich nur auf eins: daß die große FAZ ihre kleine Osttochter, einst mit Immobilie von der Blockpartei CDU erworben, weiter mit durchschleppt – so wie es Springer mit der Welt, Holtzbrink mit dem Tagesspiegel oder auch Gruner + Jahr mit der Wochenpost tun. In der Hoffnung, dann die Nase vorn zu haben, wenn Berlin Regierungssitz wird. Offenbar wurde der FAZ dann doch die Luft zu dünn angesichts der eigenen roten Zahlen. Ökonomisch ist das vollkommen logisch.
Die Einstellung der besten Tageszeitung des Ostens ist kein Skandal, aber sie macht einen Skandal offenkundig, einen medienpolitischen. Künftig wird es neben den Boulevardzeitungen, Gremlizas Junger Welt und dem Neuen Deutschland – beide kränklich – nur noch die regionalen Abonnementszeitungen geben. Die meisten von ihnen sind in ihrem Gebiet schon heute Monopolisten, Tag für Tag verkaufen sie insgesamt 4,2 Millionen Exemplare.
Die Frage ist, warum. Daß die Leser ihrer alten (früheren SED-)Zeitung treu geblieben sind, ist nur die halbe Wahrheit. Auch daß die Leser im Osten eher östliche Identität suchen und westliche Qualitätszeitungen keinen Fuß auf den Boden bekommen, erklärt nicht alles. Und schließlich weiß auch die taz, wie schwer es ist, eine überregionale Zeitung ohne starkes lokales Standbein im Gleichgewicht zu halten. Weil nämlich der Anzeigenmarkt der Tagespresse ein lokaler ist. Genauso wie die taz weiter um ihre Existenz kämpfen muß, waren also die Chancen der Neuen Zeit ohnehin gering.
Doch eins bleibt festzuhalten: Den Rahmen für den ostdeutschen Zeitungsmarkt hat allein die Treuhand gesetzt. Sie hat die ehemaligen SED-Verlage mit einem Leserstamm von jeweils 200.000 bis 500.000 an die Meistbietenden verkauft. Der Anspruch meinungsbildender Presse war nicht gefragt. Mithalten konnten dabei nur westdeutsche Regionalverlage, die jetzt – so kann geschätzt werden – auch im Osten satte acht bis neun Prozent Umsatzrendite erwirtschaften. Für sie war es ein Kinderspiel, die wenigen Zeitungsneugründungen mit Niedrigpreisen auszubooten. Die Medienpolitiker haben damals weggeschaut und werden jetzt, wie schon bei der Einstellung des Morgen durch Springer, wieder Betroffenheit mimen. Michael Rediske
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