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■ Wehrhafte Hamburger Damen laden zum WasserlassenDie Erfindung der Pinkelfalle

Männer müssen überall hinpissen. Immer wenn nebenan im autonomen Kulturzentrum ein Konzert ist, machen die richtig Rudelpissen: vor meine Haustür und gegen unsere Fahrräder, gegen die Kellerfenster, Laternenpfähle oder Mülleimer. Das Problem war ein bißchen, daß ich selber für dieses autonome Kulturzentrum namens „Rote Flora“ jahrelang Nachtwachen organisiert, mich auf Plena zu Tode gelangweilt habe und mich von Wasserwerfern in die Flucht schlagen ließ, weil ich in Wirklichkeit ein Feigling bin. Jetzt gibt es diesen Laden, und die Kerle pinkeln bei Konzerten vor meine Haustür.

Natürlich handelt es sich um fortschrittliche Männer, die versuchen, Utopien von anderen Lebensformen zu entwickeln. Wie Andy, genannt das Weichgummi, weil er immer behauptet, er verstünde die Forderungen der Frauen so gut. Und er hätte das Gefühl, als Mann säße er zwischen den Stühlen. Am liebsten würde er auch beim Frauenplenum mitmachen, von wegen der Solidarität, und er fühle sich zweigeteilt, weil er schwul sei. Oder Klaus, der immer meinte, man brauche eine quotierte Redeliste beim Plenum, damit die Frauen nicht zu kurz kämen; das fände er ganz wichtig.

Das ganze antrainierte, übergestülpte Männerbewußtsein verliert sich aber leider mit zunehmendem Konsum von Flensburger Pilsener. Wenn diese Typen besoffen sind, pissen sie überall hin. Also Rache! Runterbrüllen aus dem zweiten Stock „Ey, was soll'n das Gepinkel?!“ nützte gar nichts. Da hat man nun jahrelang Frauenforschung betrieben, Selbstverteidigungskurse besucht, Durchsetzungsstrategien gegen Männerbündelei ersonnen und muß sich nun vor die Haustüre pinkeln lassen? Da nagt der Ärger. So nicht, Jungs!

Also wurden kurzerhand beim Heimwerkermarkt ein paar Wassereimer besorgt. Zehnliter, versteht sich. Beim nächsten Konzert ließen wir die vollaufen und stellten sie in Startposition auf die Fensterbank. Die Spannung stieg. Der erste kam schon vor der Pause. Den warnten wir noch: „Nicht gegen die Haustür pinkeln!“ brüllte ich in die Schneenacht. „Eyyy, du alte Schlampe!“ röhrte er wenig galant zurück und zeigte mir seinen Effenbergfinger.

Als wir ihn nur halb mit dem kalten Wasser am Rücken erwischt hatten, war das Gejammer trotzdem groß. Wir waren begeistert. Bald konnten wir schon beachtlich gut treffen.

Beim nächsten Konzert luden wir gleich ein paar Freundinnen aus dem Selbstverteidigungskurs ein. Es gab italienische Vorspeisen und Campari-Soda. So ein kleiner Empfang mit Unterhaltungseinlage. Dann harrten wir unserer dunkelgekleideten Opfer. Eine Riesengaudi – obwohl die meisten Frauen echt nicht zielen können. Aber trotzdem sprach sich das herum in der Damenwelt. Bald schon hieß es: Wann habt Ihr wieder Konzert? Und: Wir würden gerne vorbeikommen.

Zwei Frauen konnten sich für die Weiterführung der Geschichte erwärmen. Sybille, eine Elektrikerin, und ihre Freundin arbeiteten dann einen ganzen Abend in der Frauenkneipe an einem Entwurf der „Pinkelfalle“. Es gab richtige Konstruktionspläne, und die ganze Kneipe brachte ihre Einfälle ein. Schließlich stand das Ding. Derjenige, der gegen die Haustür pinkelt, sollte durch irgendwelche Stromaggregate über seinen eigenen Strahl einen elektrischen Schlag kriegen.

Die Umsetzung des Projekts gestaltete sich aber als überaus schwierig. Unsere Verständnislücken in technischen Fragen führen nämlich leider dazu, daß die Realisierung noch immer auf sich warten läßt. Christina Gottschall

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