■ Die Chancen für die FDP als Opposition stehen gar nicht schlecht: Viel Raum für die Liberalen
Das Interesse an der FDP ist auf einem Tiefpunkt angelangt. Selten wurde im Vorfeld des Dreikönigstreffens derart wenig über sie berichtet, selten waren so wenig Journalisten anwesend. Alle, denen die FDP als Umfallerpartei und Partei der Besserverdienenden ohnehin ein Dorn im Auge ist, haben guten Grund, die Liberalen nun, da sie eine kleine Oppositionspartei sind, zu ignorieren. Dennoch ist die Chance der Liberalen, sich deutlich zu profilieren, gut wie lange nicht.
SPD und CDU machen es ihnen zur Zeit leicht, ihre Rolle als Korrektiv zu den beiden Volksparteien zu finden. Die FDP-Parteistrategen hatten allen Grund zum Jubeln, als sich die Union am Wochenanfang entschieden hat, eine populistische Kampagne gegen die von der rot-grünen Regierung geplante Reform des Staatsangehörigkeitsrechts zu starten. Denn dadurch signalisiert die Union – wenige Wochen vor der wichtigen Landtagswahl in Hessen –, daß sie sich zukünftig eher nach rechts orientiert. In der CDU haben sich offenbar diejenigen Kräfte durchgesetzt, die auf eine rechtslastige Politik vertrauen, wie sie die CSU in Bayern macht. Schließlich hat die CSU bei der Landtagswahl in Bayern einen glänzenden Wahlsieg errungen, während die CDU zwei Wochen später bei der Bundestagswahl eingebrochen ist. Die Union treibt durch diesen Kurs der FDP diejenigen Wähler zu, die zwar den wirtschaftlichen Reformkurs der alten Regierungskoalition geschätzt haben, aber mit einer nationalistischen Politik nichts zu tun haben wollen.
Auch die SPD spielt den Liberalen die Karten zu. Das Hickhack um die Reform der 620-Mark-Jobs, die halbherzige Ökosteuer, die Rücknahme von steuerlichen Verschärfungen, die ständig neuen Vorschläge für Steuererhöhungen zeigen die SPD als Partei, die es möglichst allen recht machen will, aber nicht weiß, wie sie ihre Wohltaten bezahlen kann. Und die CDU hat aus der Wahlniederlage die Konsequenz gezogen, die Wähler mit ihren Reformen überfordert zu haben.
Die FDP, die nicht den Ehrgeiz hat, die Mehrheit der Bevölkerung für sich zu gewinnen, kann daher für jene Bevölkerungsgruppe die beste Alternative sein, die den Umbau des Sozialstaats, die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit, den Appell an den Fleiß, die Stärkung des Wettbewerbsgedankens, die Verschlankung des Staats für vernünftig hält. Der Raum für die FDP ist groß genug. Sie muß ihn sich aber noch erobern. Bisher haben die anderen Parteien nur Platz gemacht. Markus Franz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen