Die CSU und die Türkei: "Wir wollen keine Gleichmacherei"
Die CSU tut sich nach wie vor schwer damit, eine EU-Mitgliedschaft der Türkei zu akzeptieren. CSU-Politiker Manfred Weber erklärt, warum.
taz: Herr Weber, Bundespräsident Christian Wulff hat in seiner Rede vor dem türkischen Parlament klargemacht, dass er die türkischen Zuwanderer als einen Teil Deutschlands betrachtet. Hat er recht?
Manfred Weber: Die Beschreibung, dass türkische Mitbürger heute Teil der Gesellschaft sind, ist vollkommen richtig. Die für uns als CSU wichtige Frage ist aber: Was ist prägend für diese Gesellschaft? Der Islam kann das heute noch nicht sein. Grundlegend sind das christlich-jüdische Erbe und die Aufklärung.
MANFRED WEBER, 38, ist Abgeordneter im Europaparlament und Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission.
Wie ist denn die Stimmung in der CSU zu Wulffs Aussage, der Islam gehört zu Deutschland?
Es geht darum, wie wir mit den Zuwanderern umgehen. Wir als CSU wollen keine Gleichmacherei, anders als es etwa bei der FDP mitschwingt. Die FDP sagt, man solle nicht über Religion und Prägung reden. Dass das falsch ist, zeigt am besten das Beispiel Mesut Özil.
Wieso das?
Viele Deutschen erkennen an, welche Bereicherung Mesut Özil ist, von den hier lebenden Türken wird er aber nicht als Vorbild gesehen, sondern ausgepfiffen, weil er sich zu Deutschland bekennt.
Der Bundespräsident hat der Türkei ergebnisoffene und faire EU-Beitrittsverhandlungen versprochen. Wie finden Sie das?
Für mich ist das ein gutes Signal. Denn er nimmt erst mal Abstand davon, dass mit den Verhandlungen auch automatisch der Beitritt erfolgen wird. Das ist normalerweise das Verhandlungsziel. Wenn der deutsche Bundespräsident sagt, es gibt einen offenen Ausgang, dann ist das schon eine erste Abkehr vom Ziel Vollmitgliedschaft. Der Appell des Bundespräsidenten, dass man mit der Türkei fair umgehen solle, heißt für mich: jetzt ehrlich zu sagen, was realistisch ist und was nicht. Nicht realistisch ist die Vollmitgliedschaft, realistisch eine enge Partnerschaft.
Aber die Türkei hat in den vergangenen Jahren erhebliche Reformen durchgeführt.
Man muss die Frage stellen dürfen, warum die Türkei die Reformen gemacht hat. Es hört sich oft an, als wolle die Regierung vor allem EU-Standards erfüllen. Eine größere Unabhängigkeit der Justiz, eine Stärkung der Frauenrechte, das sollte doch angestrebt werden, weil man gesellschaftlichen Fortschritt möchte, nicht um uns zu gefallen.
Die CSU scheint sich deutlich schwerer mit dem Gedanken an eine türkische Mitgliedschaft in der EU anzufreunden als andere Parteien. Woher kommt das?
Vielleicht weil wir nach wie vor näher an den Menschen dran sind. Denn die Stimmungslage in Umfragen zeigt deutlich, dass viele Menschen skeptisch gegenüber einem EU-Beitritt sind. Wir artikulieren diese Stimmung.
Leser*innenkommentare
@ Robert R
Gast
Erst ab 2011 kann Osteuropa frei reisen.
Die "Massen" dürfen doch noch gar nicht rein.
Sind sie überhaupt informiert?
noevil
Gast
Karin Bryant: nun erklären sie kluger Mensch mir doch mal, was eine "ergebnisoffene Diskussion" mit der Türkei i.S. EU-Beitritt sein soll, in der das Ergebnis, nämlich lediglich eine privilegierte(!) Partnerschaft statt der angestrebten Vollmitgliedschaft bereits von vorn herein feststeht. Das erinnert fatal an S21 und Mappus/Grube. Für wie bescheuert halten Sie diese Leute eigentlich? Selbstverständlich weiß die Türkei, dass sie noch eine Menge Arbeit zu leisten hat und - dass wir EU-Mitgliedsstaaten vor einer - ergebnisoffenen (!!) - Prüfung Ergebnisse sehen wollen. Dass diese Arbeit Zeit braucht und dass wir der Türkei diese zugestehen ist klar.
Multikulti soll tot sein - da lachen ja -fast- sämtliche in- und ausländischen Hühner, die die Augen offen haben und sich an einer bunteren genetischen und kulturellen Mischung freuen. Ein Teil der Bevölkerung will es nicht sehen, doch es ist längst unwiderlegbare Tatsache, mag da ein bayerischer Gockel noch so laut krähen.
Wenn dann unser blonder und blauäugiger Bundespräsident endlich die erlösenden Worte spricht, nämlich "Ihr gehört zu uns", dann sollte man feiern statt eiern. Denn dann haben wir auch endlich die Legitimierung, stolz auf unsere blitzgescheiten und -schnellen Mitbürger Fatih Akin, Feridoun Zaimoglu, Mesut Özil u.v.a. zu sein.
Und das sind wir doch, oder ..........
Robert R
Gast
Das gerade die größten Bremser bei Frauenrechten in Deutschland diese anderswo immer wieder anmahnen ist lachhaft, und vor allem extrem kontraproduktiv. Das erzeugt ja einfach nur Ablehnungsreflexe.
Zur Vollmitgliedschaft: die befürchteten Massen an Osteuropäern sind ausgeblieben, der Zustrom aus Südeuropa ist ausgeblieben nach der Schengen-Einführung. Nicht trotz Europa, sondern wegen Europa. Die Zukunftschancen für die Menschen in einem Vollmitglied Türkei wären so groß, dass der Zustrom abbrechen würde.
Ausgepfiffen wurde Özil, eben weil die türkischen Fans ihn als Vorbild sehen und ihn bewundern - und ihn natürlich lieber in der eigenen Mannschaft hätten.
ulla
Gast
@karinbryant: Mir scheint, dass Sie "eine völlig andere Kultur und Lebensweise" haben, als die, die ich in 35jahren brd kennenlernen durfte.
Solch offenen Ausländer-(bzw Türken)hass kenne ich sonst nur aus Büchern und Medienbeiträgen über (Neo)nazis, aber bis heute nicht aus meinem persönlichen Umfeld (Schule, Nachbarn, Uni, Sportvereine, Kollegenschaft etcpp). Ihre 'Kultur' ist mir hochgradig fremd und ehrlichgesagt auch unlieb, vor allem wenn sie als 'deutsch' missverstanden wird. Da wären mir -sowohl als Deutscher wie Europäerin- nicht nur Türken- sondern auch Maori-, Kelten- und selbst Neandertaler-Kultur näher und lieber als EU-Mitglied denn Ihre Weltanschauung und ständiges ausländerfeindliches Gekeife.
karin bryant
Gast
alleine schon die geographische Lage der Tuerkei,naehmlich dass 97% des Landes nicht auf dem europaeischen Kontinent liegt sollte genuegen .
Dazu die Tatsachen dass die Tuerkei ein zunehmend islamisches Land ist und peu a peu noch islamischer wird unter der Regierung von Erdogan.
Dass die Tuerkei eine voellig andere Kultur und Lebensweise hat und es nicht gelungen ist in 40 Jahren die tuerkischen Einwanderer in die Gesellschaft zu integrieren , ein ganzes Land wuerde die EU,die im Grunde eher eine wirtschaftliche Vereinigung ist, ruinieren auch finanziell.
Kotsch
Gast
Schön, wie gestandene Politiker die Kinderkacke mit dem Fussball benutzen und das Bild-Volk applaudiert! Wäre Özil griechischen Ursprungs wäre er BEIM FUSSBALL noch viel mehr ausgepfiffen worden. Das hat so gar nichts mit der ganzen Debatte zu tun.
guiyang
Gast
die Rede von BP Wulff war insgesamt klug und fair - er sprach ja auch Probleme an: keine Freiheit für Christen, Armenier und bei einigen, nicht wenigen Jugendlichen ( oft absolut dummes ) Machoverhalten und mangelnde Integrationsbereitschaft. Er sprach auch die positive Leistung vieler Türken an. Insgesamt ausgewogen und höflich. Doch ein EU- Beitritt würde eine Völkerwanderung aus Anatolien bedeuten und das würde mehr Islam und weniger Europa heissen - darüber sollte man sich klar sein - wer kann denn das wollen, ausser den Leuten die Europa islamisieren wollen !
hui-buh
Gast
"Eine größere Unabhängigkeit der Justiz, eine Stärkung der Frauenrechte, das sollte doch angestrebt werden, weil man gesellschaftlichen Fortschritt möchte"
sagt der csu-mann, ohne mit der wimper zu zucken.
ich lach mich schlapp.