Die CDU sortiert sich neu: Eine richtig freundliche Partei
Die CDU ist auf Versöhnungskurs. Vom Rücktritt des Parteichefs Thomas Röwekamp ist nicht mehr die Rede. Ob er 2012 wieder kandidieren will, bleibt offen
Die CDU will Frieden schließen, also: mit sich selbst. Das ist das Signal, das von diesem Landesparteitag ausgehen soll.
Die Rede über das Debakel im Mai, als die Partei mit gerade mal 20 Prozent das schlechtes Wahlergebnis seit über 50 Jahren einfuhr - sie soll jetzt ein Ende haben. Und der Streit um Parteichef Thomas Röwekamp, Spitzenkandidatin Rita Mohr-Lüllmann und Wahlkampfmanager Heiko Strohmann auch. Die schärfsten parteiinternen KritikerInnen der vergangenen Monate, sie halten sich an diesem Mittwoch allesamt zurück. Nur der Applaus der gut 200 Delegierten fällt etwas dezenter aus als sonst. Zwar wird die ebenso scharfe wie eindeutige Wahlanalyse des eigens dafür eingesetzten Gremiums erst an diesem Abend offiziell der Parteibasis vorgestellt. Doch der "retrospektiven Klugscheißerei" erteilt Röwekamp gleich zu Beginn des Abends eine klare Absage. Er will sich auch "nicht rechtfertigen" für das, was gewesen ist. Entsprechend kurz fällt hernach die Debatte aus. Er akzeptiere das Ergebnis der 100-köpfigen Kommission unter Leitung von ex-Bausenator Ronald-Mike Neumeyer "ohne wenn und aber", sagt Röwekamp nur. Ja, er habe verstanden. Das soll an diesem Abend seine Botschaft an die Basis sein. Immer wieder fällt dieser Satz.
Zurücktreten will er nicht. Das böse Wort fällt noch nicht einmal. Niemand in der CDU fordert den Vorsitzenden mehr auf, doch seinen Platz zu räumen. Ob er im nächsten Jahr noch einmal antreten will, zur Wahl des Parteichefs - das lässt Röwekamp bislang aber auch noch offen. Eine Mitgliederbefragung soll nun den Ausschlag geben, so hat es der Parteitag jetzt beschlossen. Wer antreten will, muss bis 7. November seine Kandidatur anmelden und sich danach bis Mitte Dezember in drei Regionalkonferenzen der Basis stellen. Bislang hat aber nur Rita Mohr-Lüllmann erklärt, Parteivorsitzende werden zu wollen. Sie nennt es ein "Angebot" an Thomas Röwekamp, die Ämter des Partei- und Fraktionschefs doch zu trennen. Zugleich lobt sie ihn als "brillianten Redner", spricht von der "Logik" des Neuanfangs und dass sie "in der Partei" verbinden will.
Die CDU werde als "zutiefst zerstritten" wahrgenommen, hatte Neumeyer zuvor gesagt, und zugleich die Partei für ihre "Bereitschaft zu sehr viel Selbstkritik" gelobt. Die Inhalte seien "richtig", aber ihre Kommunikation "falsch", so seine Diagnose. Allerdings müsse die Partei sich mehr um "sozial Schwache", junge Familien, Alleinerziehende kümmern, mit MigrantInnen "natürlich umgehen". Das "idealisierte Familienbild" der CDU bleibe aber "richtig", versichert Neumeyer. Die "Mängelliste" des Wahlkampfes indes sei so lang, das er nicht ins Detail gehen, den Beteiligten nur ein "schallende Ohrfeige" geben will.
Sie verklingt ohne größeren Nachhall. Dafür kommt Alt-Bürgermeister Hartmut Perschau, dem Neumeyer eben "freundliches Umarmungspotenzial" attestiert hatte und ruft dazu auf doch "sukzessive" miteinander "besser umzugehen" und nicht "jede Form der Pöbelei" zu leben. Lieber jenen auf die Finger zu klopfen, die "individuelle Machtpolitik" betrieben. Das könnte ein Wink an Röwekamp gewesen sein. Jedenfalls wirbt Perschau für Mohr-Lüllmann.
Nur einer tritt an, den neu aufkommenden Parteifrieden ein wenig zu stören: Bremerhavens CDU-Chef Michael Teiser. Der vergleicht den an diesem Abend neu geschaffenen Parteiausschuss "Begleitung und Überprüfung des Ergebnisses der Wahlanalyse" mit dem Wächterrat im Iran. Er denke "nicht im Traum daran", sich vor diesem Gremium "zu rechtfertigen", sagt er. Auch die neu etablierte Findungskommission, die bei künftigen Wahlen die Kandidatenaufstellung vorschlagen soll, lehnt er ab. Für seinen Auftritt erntet Teiser am Ende seiner Rede ein einzelnes "Pfui". Nein, sagt Neumeyer ihm dann noch, er habe nicht verstanden. Und erntet dafür den lautesten Jubel an diesem Abend.
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