■ Die Bundeswehr und der Einzelfall: Transparenz im Einsatz
Glaubt man dem Sprecher der Hardthöhe, ist letztlich alles ein semantisches Problem. Den Begriff „Kampfeinsatz“ gebe es in der Bundeswehr gar nicht, deshalb haben die Tornados aus Deutschland auch keine Kampfeinsätze geflogen. Statt dessen haben über Bosnien „Flüge unter Einsatzbedingungen“ stattgefunden. Die Einsatzbereitschaft für die Tornados habe Bundesverteidigungsminister Rühe am 1. August verfügt, seitdem fänden die Flüge unter Einsatzbedingungen auch statt. Seit am Wochenende bekannt wurde, daß der Einsatz von Freitag, der auf Anforderung des Oberkommandos der Schnellen Einsatztruppe stattfand, durchaus nicht der erste Kampfeinsatz der Tornados in Bosnien war, herrscht wieder einmal Verwirrung. Der Bundestag sei nicht informiert worden, behauptet der Spiegel, die Flüge seien durch das Bundestagsmandat nicht gedeckt, die Opposition. Jetzt soll Rühe noch einmal berichten – doch falls bis dahin nicht doch noch ein Tornado abgeschossen wird, wird der Erfolg in Bosnien die Kritik zu Hause in Grenzen halten.
Dabei zeigt der Streit um Worte vor allem eins: Ein Kriegseinsatz, erst einmal begonnen, ist durch komplizierte Kautelen kaum zu begrenzen. Die Vorstellung aber, der Bundestag könnte den Einsatz kontrollieren, ist reine Fiktion. Bezeichnend ist lediglich, daß Rühe und Kinkel diese Fiktion bei der Durchsetzung der „historischen Entscheidung“ am 30. Juni hochgehalten haben, um dem Parlament seine Zustimmung zu erleichtern. Das allerdings entspricht exakt dem Vorgehen der Bundesregierung auf dem Weg zurück an die Front in den letzten drei Jahren. Völlig unabhängig davon, ob die Einsätze der Tornados in Bosnien sinnvoll sind oder nicht, der Bundestag kann eigentlich nicht länger die Augen davor schließen, daß ihm auf diesem Weg das Gesetz des Handels regelmäßig aus der Hand genommen wurde.
Die Entscheidung im Einzelfall, auf die auch die Opposition setzt, ist eine Entscheidung der Exekutive. Will das Parlament in der wichtigsten Frage der deutschen Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Krieges überhaupt noch einen Einfluß nehmen, wird es um eine grundsätzliche Debatte, unter welchen Bedingungen und unter welchem Kommando Bundeswehrsoldaten zukünftig out of area eingreifen sollen, nicht herumkommen. Auch wenn die Widersprüche innerhalb der einzelnen Parteien dadurch voll aufbrechen werden. Jürgen Gottschlich
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