■ Die Bundesregierung liefert wieder Waffen an die Türkei: Deutsche Waffen, deutsches Geld ...
Fotos, Videos und Augenzeugenberichte. Das alles soll nicht gelten, wenn es um die Frage geht, ob die türkische Regierung „vertragswidrig“ deutsche Waffen im Kampf gegen die kurdischen Widerstandsbewegungen einsetzt. Am Wochenende zogen die Bonner Regierungsvertreter die von den verschiedenen Menschenrechtsorganisationen vorgelegten Dokumente in Zweifel, gestern bereits fällten sie die Entscheidung, die Waffenlieferungen an den Nato-Mitgliedsstaat Türkei wiederaufzunehmen. Selbst wenn die Bonner Administration tasächlich Zweifel an den vorgelegten Beweisen hat, sie hätte wenigstens vor der Wiederaufnahme der Waffenhilfe eigenständig prüfen müssen, ob die erhobenen Vorwürfe zutreffen oder nicht. Einen eigenen Bericht hat die Bundesregierung aber nicht vorgelegt. Das hat sie in der Kürze der Zeit auch gar nicht tun können, so liegt der Verdacht lauf der Hand, daß dies entweder nicht gewollt oder als nicht opportun eingeschätzt worden war.
Die Bundesregierung wäre eigentlich verpflichtet, den Vorwürfen über Menscherechtsverletzungen in der Türkei und über den Einsatz deutscher Waffen in Kurdistan nachzugehen und bis zu deren endgültigen Klärung einen Waffenstopp zu verfügen. Tatsächlich verhält sie sich aber gegenteilig. Ein solcher Waffenstopp hätte der Bundesregierung zudem leichtfallen können. Hat sie doch ihre freiwillig eingegangene Verpflichtung, dem Nato-Partner Kriegsgerät aus den Beständen der ehemaligen NVA in Milliardenhöhe zu überlassen, im letzten Jahr nahezu vollständig eingelöst. Hinter der jetzt gefällten Entscheidung steht demnach eine politische Geste. Der Türkei wird damit signalisiert, daß sich keiner in sogenannte „innere Angelegenheiten“ des Nato-Partners einmischen will, egal ob Kurden dort verfolgt werden oder nicht. Die Frage der Menschenrechte wird damit den bündnispolitischen Erwägungen des Nordatlantikpaktes geopfert.
Ein zweites Motiv mag die Bonner Politiker bewogen haben. Müßte die Bundesregierung den Einsatz deutschen Kriegsgerätes bei der Aufstandsbekämpfung in der Türkei einräumen, wo käme sie hin mit ihrer vollmundigen Ankündigung, militante Kurden in die Türkei abschieben zu wollen? Eine Abschiebung etwa vor die Mündungen deutscher Waffen in Händen türkischer Militärs? Wer wie die Bonner Regierung behauptet, daß den Abgeschobenen in der Türkei keine Gefahr von Folter oder Tod droht, der muß konsequenterweise auch leugnen, daß deutsche Waffen dabei eingesetzt werden könnten. Wolfgang Gast
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