: Die Bürde eines Namens
NACHLASS Thomas Harlans letztes Buch heißt „Veit“
Als Anfang der Woche die Nachricht vom Tod des Filmemachers, Autors und politischen Denkers Thomas Harlan verbreitet wurde, waren sich die Nachrufer darin einig, dass Thomas Harlan zunächst und vor allem der Sohn seines Vaters, des Filmregisseurs und Nazi-Schergen Veit Harlan war. Des Öfteren wurde erwähnt, dass er als Kind Hitler gegenübersaß. Dass, wie der Leiter des Rowohlt Verlages, Alexander Fest, auf Nachfrage bestätigte, sein letztes Buch, das im März erscheinen wird, „Veit“ heißt, bestätigte die Nachrufenden in ihrer Meinung.
Doch sie liegen falsch. Thomas Harlan war ein großartiger Filmemacher und vor allem ein bis heute leider völlig unterschätzter Autor – seine Romane „Heldenfriedhof“ und „Rosa“ sowie sein kunstvoll gewobener Geschichtenzyklus „Die Stadt Ys“ waren sogar bis Anfang des Jahres überhaupt nicht mehr lieferbar; jetzt wird immerhin die Restauflage der Erstausgaben vom Münchener Belleville Verlag vertrieben, der seinerseits seit bereits zwei Jahren eine Ausgabe von Harlans Theaterstücken „Ich selbst und kein Engel“, „Lux“ und „Bluma“ ankündigt. So ist der literarischen Welt ein Autor fremd geblieben, der weit mehr war als seine Biografie, und dies nicht zuletzt durch den unglücklichen Umstand, dass sein Förderer Wolfgang Hörner den Verlag wechselte, und Harlan mit einem Mal auch für seinen bisherigen Verlag, den Eichborn Verlag, zum Fremdling wurde. Nicht immer ist es das Urteil der Literaturkritik, das über Wohl und Wehe eines Autors entscheidet; oft sind es profane ökonomische Gründe.
Umso schöner ist es, dass parallel zu dem Buch „Veit“, das der bereits schwer geschwächte Harlan laut seinem Verleger Fest zu diktieren begann, als er die Nachricht von seinem bevorstehenden Ableben bekam, auch die oben genannten Bücher bei Rowohlt wieder zugänglich gemacht werden – Harlan also in der Gewissheit sterben konnte, als Autor nicht zu vergehen.
Das ist nicht unbedingt tröstlich, denn Harlan, der erst spät als Prosaautor debütierte, hätte sicher noch den ein oder anderen genau durchkomponierten und sprachlich feinen Text verfassen wollen. Uns aber bleibt immerhin von diesem Autor, was bleiben kann.
JÖRG SUNDERMEIER