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schnittplatzDie Börse mit der Maus

Seelsorge für ruinierte Telekom-Kleinaktionäre bietet „Börse im Ersten“ nicht. Dafür den einen oder anderen Scherz auf Kosten der „Eierköpfe in den Banken“. So verwirklicht die ARD ihren Programmauftrag in Sachen Information und Erziehung: „Börse im Ersten“ will die orientierungslosen Neulinge in der bösen Aktienwelt an die Hand nehmen. Drei Minuten Zeit gibt’s wochentags dafür, eingequetscht zwischen Kachelmann und Tagesschau. Und unterhaltsam soll die Sendung auch noch sein. Börse ist schließlich spannend, hat uns die New Economy gelehrt. Das Ergebnis ist entsprechend: die Quintessenz der ARD-Informationsmacht, eine Mischung aus Sendung mit der Maus und Sportschau mit einem Hauch Kachelmann. Ein nerviges Tickerband wie bei den privaten Kollegen, weißhaarige Männer mit Schlips und im Hintergrund die Monitore der Frankfurter Börse – das strahlt Kompetenz aus. Sorge bereitet Chefredakteur Frank Lehmann und seinen Leuten nur die Zeit. Denn sie haben so viel zu erzählen. Erstaunlicherweise wirken die befragten Analysten viel gelassener als die gehetzten Moderatoren. Die Verlaufskurven schmücken knallige Markierungen: „Crash!“, „Trendwende!“ – Börse als Comic.

Nach dem „Sendung mit der Maus“-Prinzip wird sogar Volatilität erklärt, so dass man’s versteht. Lehmanns hessischer Zungenschlag vermittelt vertrauenerweckende Bodenständigkeit. Peinlich nur, dass die wackeren Börsianer auch noch den Programmauftrag Unterhaltung miterfüllen wollen: Lehmann wird zum Heribert Fassbender der Börse. Keine noch so abgedroschene Metapher, die den wehrlosen Zuschauern nicht mit Vergnügen als Witz präsentiert wird. Lehmann trägt’s immerhin noch unerschütterlich und flüssig vor, während Kollege Dieter Möller auf dem Humorterrain schnell ins Stolpern gerät. „Die Wildkatze macht einen Satz nach vorne“, fällt ihm zu Kursgewinnen von Puma ein. Seine Karl-Moik-Miene dazu erstickt jede Ironie im Keim. Dafür lässt Möller gebeutelte Wertpapierbesitzer an seinem Aphorismenschatz teilhaben: „Wo die Nacht am dunkelsten ist, ist der Tag am nächsten.“ Bis zur nächsten Sternstunde der ARD-Informationskompetenz. FIETE STEGERS

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