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Archiv-Artikel

GERHARD DILGER/BRASILIEN (RUNDREISE) Die Biolandbauern

Es ist Samstagnachmittag. Müde streckt Francisco Cardoso seine Beine aus. Nach einem langen Arbeitstag sitzt er in der bescheidenen 20-Quadratmeter-Wohnung, die er mit seiner Frau, seiner dreijährigen Tochter und seinem Bruder teilt. In den Feldern um Guariba, einer Kleinstadt nordwestlich von São Paulo, schneidet der 31-Jährige Zuckerrohr – und ist somit das letzte Glied in Brasiliens Ethanolboom. Der kleine muskulöse Mann berichtet, wie er unter stechender Sonne jeden Tag tausende Machetenhiebe ausführt. Wie sein Schwager einmal aus Erschöpfung zusammengebrochen ist. Aber auch, dass es ihm durch die jahrelange Plackerei gelungen ist, dem Elend zu entrinnen: Nach der nächsten Erntesaison will er in seinem Heimatort in Nordostbrasilien bleiben, um dort mit dem Ersparten ein Haus zu bauen und einen kleinen Laden aufzumachen.

Cardoso und seine Leidensgefährten sind nicht allein: In Guariba werden sie von der Wanderarbeiterseelsorge unterstützt. Padre Antonio Garcia, Schwester Inês Facioli und ihr Freiwilligenteam sind ein beeindruckendes Beispiel für jene Basischristen, die an vielen Orten Brasiliens den Widerstand gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur organisieren. Geprägt von der Theologie der Befreiung, handeln sie lokal und global, karitativ und politisch. Beim Versuch, die Arbeits- und Lebensbedingungen der Migranten zu verbessern, haben sie manchen Achtungserfolg erzielt. Immer mehr Agrosprit zu produzieren statt Lebensmittel, halten sie für einen Irrweg. Praktische Konsequenzen aus dieser Erkenntnis zieht die Landlosenbewegung MST, die dieser Tage ihr 25-jähriges Jubiläum feiert. Auch in der Zuckerregion von São Paulo setzen die MST-AktivistInnen auf Bildung, Organisation – und Biolandbau. Manch ehemaliger Zuckerrohrarbeiter hat mittlerweile den Sprung zum Kleinbauern geschafft.