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Archiv-Artikel

Die Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele ist gescheitert: Herzlichen Glückwunsch, Leipzig

betr.: „Der Leipzig-Flop: Was aus dem Osten kommt, gilt nicht als erwägenswert“, „IOC stoppt Aufbau Ost“, taz vom 19./20. 6. 04

Die Legende von den konstant ignorierten Ostdeutschen klingt zwar romantisch, ist aber im Falle der Leipziger Olympiabewerbung nichts als eine fadenscheinige Entschuldigung. Was sich da abspielte, ist eben ein typisch gesamtdeutsches Phänomen. Die inzwischen übliche Mischung aus Größenwahn und Inkompetenz, gepaart mit dem stetigen Bemühen um persönliche Vorteilsnahme und dem Auf-die-Seite-Schaffen von Geldern. Es ist ziemlich frech, dass Leipzig seine Bewerbung nicht schon nach den ersten personellen Skandalen zurückgezogen hat. Jetzt aber – nach der verdienten Abfuhr – auf die „Wir armen Ostdeutschen“-Tränendrüse zu drücken, macht schon ein wenig fassungslos. FRANK LESCHONSKI, Köln

Die Niederlage Leipzigs bei der „globalen Völkerschlacht“ um die olympischen Sommerspiele 2012 muss nicht negativ überbewertet werden. Sie sollte vielmehr Ansporn sein, den Aufbau Ost zu forcieren. Dass die kleinste aller Bewerberstädte keine reelle Chance hatte, war nicht nur für neidische Hamburger von vornherein absehbar. Ein Hochglanzprodukt wie die olympischen Spiele passt nun einmal nicht an einen Ort, an dem fast jede fünfte erwachsene Person arbeitslos gemeldet ist. Aufgabe sportlicher Großereignisse ist es in erster Linie, die heile Welt vorzuspiegeln. Würden die Spiele mit einer direkten oder indirekten sozialkritischen Note versehen, liefen die Organisatoren unweigerlich Gefahr, ihre wichtigsten Großsponsoren zu verlieren! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Herzlichen Glückwunsch, Leipzig! Leipzig ist die Visitenkarte für das ganze marode Deutschland! In Erinnerung an die glücklicherweise ebenfalls gescheiterte Olympiabewerbung Berlins für 2000 kann man nur feststellen: Die Geschichte der Korruption und Unfähigkeit wiederholt sich! Wem wollte man auch diesen Rummel in der abgewirtschafteten DDR zumuten? Man stelle sich den Olympiapilger aus den USA oder Paris vor, der in einer sanierten Platte nächtigen muss! Die Spiele waren schon für Berlin Hybris, erst recht gilt dies für Leipzig, da können sich die gutgläubigen Bürger noch so anstrengen. Das „Scheitern in Daten“ spricht Bände. Mit Deutschland, Ost wie West, ist derzeit kein Staat zu machen, wir sollten die knappen Ressourcen lieber sinnvoll einsetzen. GUNTHER TROIKE, Berlin

Wenn man die tränenüberströmten Gesichter der Leipziger Zuschauer nach der IOC-Entscheidung sah, könnte man meinen, dass hier gerade der Abriss der ganzen Stadt bekannt gegeben wurde. Doch das Gegenteil ist der Fall – Leipzig kann vom Olympia-Aus nur profitieren. Zum einen wurde in den letzten Wochen und Monaten abseits vom unvermeidlichen Marketing der Sponsoren auch ein diffuser sozialer Zusammenhalt geschaffen. „One family“ – das war der (wenn auch kleine) gemeinsame Nenner vieler Altersgruppen, die endlich etwas fanden, wofür sie sich begeistern konnten. So ganz nebenbei wurden durch die Bewerbungsgelder auch ausstehende Verbesserungen der Infrastruktur vorangetrieben.

Doch eben hier steckt der eigentliche Gewinn im Verlust der Kandidatur: Teile der Finanzierung sollten durch Einschnitte im sozialen und kulturellen Bereich erbracht werden, und nun besteht zumindest eine Hoffnung auf Rücknahme der schon durchgesetzten Kürzungen. Auch das Problem der vielen tausend weiteren leer stehenden Wohnungen durch das olympische Dorf in einem übersättigten Wohnungsmarkt hat sich damit frühzeitig gelöst. Nach der Seifenblasenjagd kann sich jetzt wieder den vielfältigen bestehenden Problemen gewidmet werden – von A wie Abwanderung bis Z wie Zukunftschancen. SVEN DÖRGE, Leipzig

Es war in der Vergangenheit für mich immer wieder eine Freude, die taz zu erleben (zu lesen), ohne das in anderen Printmedien zu spürende Maß an Überheblichkeit.

Die Ausgabe vom 19./20. Mai verschlägt mir allerdings die Sprache. Eine nicht zu überbietende Arroganz bringt eine Überschrift und ein Foto auf die Seite ein, welche unter Beweis stellt, dass selbst die taz ein Kind der maßlosen Ignoranz gegenüber Situationen und Menschen ist. Hätte sich das Ruhrgebiet um die Olympiade beworben, hätte die taz sicher nicht ein solches Foto auf die Titelseite gesetzt. Auch der gute Kommentar von Robin Alexander ist da keine Entschuldigung. REINHOLD DELLMANN, Wandlitz