■ Die Auschwitz-Gedenkfeiern in der deutschen Presse: Wir deutschen Besserwisser
Wir sind ja schon für die deutsch-polnische Freundschaft, wir deutschen Linken. Aber das mit dem polnischen Antisemitismus, das macht uns echt betroffen. Widerlich. Als aufrechte Linke, Demokraten und Deutsche, die aus dem Holocaust was gelernt haben, fühlen wir uns verpflichtet, den Polen zu sagen: So geht's nicht.
Dazu fühlten wir uns schon immer verpflichtet: beim Streit um das katholische Kloster in Auschwitz, um das Verhältnis zwischen Polen und Juden im Zweiten Weltkrieg. Auf unseren erhobenen Zeigefinger war immer Verlaß. Jetzt gibt's dazu wieder eine Gelegenheit. Jüdische Vertreter werfen den Polen vor, sie wollten im Rahmen des 50. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz den Holocaust polonisieren. Wir finden das auch.
Wir als Deutsche, die aus dem Holocaust was gelernt haben, wissen ganz genau, daß wir in Auschwitz fast nur Juden umgebracht haben. Wir haben das in der Schule gelernt. Wir wissen auch, daß es in Polen eine katholische Kirche gibt und viele, viele katholische Antisemiten. Das haben wir aus der Zeitung gelernt. Scheinheilige polnische Kirchenvertreter wollen Auschwitz polonisieren, weil sie „katholische Schuldgefühle überkompensieren“, sagt zum Beispiel die linksliberale Frankfurter Rundschau. Wir werden es den polnischen Katholiken nie verzeihen, daß sie uns beim Holocaust ein bißchen behilflich waren. Daß das so war, weiß nicht nur die FR. In Deutschlands Blätterwald hat das Thema polnischer Antisemitismus immer Konjunktur. Dort arbeiten nämlich Deutsche, die was aus dem Holocaust gelernt haben und ganz genau wissen, was Antisemitismus ist. Die Polen haben damit Schwierigkeiten. Deshalb sagen wir's ihnen jetzt: Wer versucht, Auschwitz zu polonisieren, ist Antisemit. Verstanden?
In Auschwitz wurden über 70.000 Polen ermordet? Polnische Kirchenvertreter haben mit der Organisation der Feierlichkeiten gar nichts zu tun? Empfindlichkeiten der polnischen Auschwitz-Opfer, die es auch zu berücksichtigen gilt? Du meine Güte. Die müssen angesichts der jüdischen Empfindlichkeiten nun wirklich zurückstehen. Woher wir als Deutsche das Recht nehmen, die Polen darüber zu belehren? Du liebes bißchen, wir werden ja wohl noch am besten wissen, wen wir in welcher Zahl umgebracht haben. Im Namen der deutsch-polnischen Freundschaft fordern wir die Polen auf, Auschwitz nicht länger zu polonisieren. Wir als Deutsche sind nicht nur für Auschwitz verantwortlich, wir fühlen uns auch dafür verantwortlich. Das soll man uns, bitte sehr, abnehmen. Uns Linken ganz besonders. Klaus Bachmann, Warschau
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