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Die Abschlußresolutionen der Allunionskonferenz der KPdSU

■ Erst am Montag hat das Politbüro der KPdSU bei einer außerordentlichen Sitzung die Resolutionen bestätigt / TASS veröffentlichte bisher nur Auszüge

Moskau (afp) - Die Resolutionen der Moskauer Parteikonferenz enthalten entgegen den Erwartungen keine detaillierten Vorschläge zur Umsetzung der Reform des politischen Systems.

Erst am Montag wurde in einer außerordentlichen Sitzung des Politbüros der KPdSU die endgülitige Fassung der Beschlüsse genehmigt. Ob dabei noch Änderungen vorgenommen wurden, war in Moskau nicht zu erfahren. Nach Auskünften von Delegierten war jedoch schon bei der Abstimmung der Wortlaut unklar.

Neu an der Mitteilung über die Politbürositzung war die namentliche Zuweisung von bestimmten Aufgaben. So soll sich Regierungschef Nikolai Ryschkow um die bessere Versorgung mit Lebensmitteln kümmern, ZK-Sekretär Nikolai Sljunkow und Politbüro-Kandidat Nikolai Talysin sollen für die Steigerung der Komsumgüterproduktion zu sorgen. Auf der Parteikonferenz hatten Delegierte gefordert, die Verantwortungsbereiche auch der Politbüro-Mitglieder kenntlich zu machen.

Die sowjetische Nachrichtenagentur TASS veröffentlichte die Beschlüsse bislang nur in den folgenden Auszügen:

-Resolution über die Reform des politischen Systems: Die Parteisekretäre sollen auf allen Ebenen zugleich an die Spitze der jeweiligen Sowjets gewählt werden. Ein „Kongreß der Volksdeputierten“ soll das Oberste Organ der Staatsmacht werden. Der Kongreß bestimmt in geheimer Wahl seinen Präsidenten. Die Mandate der Parteiämter sollen auf fünf Jahre beschränkt werden. „Alle Mitglieder der Büros und der Sekretariate der Parteikomitees, einschließlich des Generalsekretärs und der Mitglieder des Politbüros, können höchstens für zwei Amtsperioden hintereinander gewählt werden“. Bei den alle zwei bis drei Jahre tagenden Parteikonferenzen können bis zu 20 Prozent des ZKs und anderer Parteikomitees ausgetauscht werden. Die Mandate der Sowjets dauern ebenfalls fünf Jahre. Die Sowjets wählen ein „ständiges Präsidium“ mit einem aus geheimer Wahl hervorgegangenen Präsidenten. Bei den Wahlen in den Organen der Staatsmacht - „bis hinauf zum Zentralkomitee“ solle das Prinzip des Kandidatenwettbewerbs gelten.

-Resolution zur Glasnost (Transparenz): „Die Konferenz fordert die Schaffung rechtlicher Garantien für Glasnost durch die Aufnahme des Rechtes auf Information in die Verfassung sowie die Ausarbeitung von Gesetzestexten über die praktische Umsetzung“. Die Bevölkerung müsse über die Arbeit der Partei und der lokalen Verwaltung informiert werden. Diese Stellen müßten über die wichtigsten Beschlüsse Rechenschaft ablegen.

-Resolution zur Stärkung von Perestroika (Umgestaltung): „Die KPdSU soll nie mehr der Wiederholung von etwas ähnlichem wie der Zeit des Personenkults (Stalin) und der Stagnation (Breschnew) zustimmen, die eine tiefe Entstellung der sowjetischen Gesellschaft verursachte, ganze Dekaden ihrer Entwicklung verzögerte und immense menschliche Schwierigkeiten sowie unermeßliche moralische und ideologische Verluste mit sich brachte.“ In der UdSSR ist noch keine „drastische Veränderung“ auf wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiet eingetreten.

-Resolution über die Nationalitätenfrage: Die Konferenz empfiehlt Änderungen in der Verfassung der UdSSR und den Republiken, die „die Rechte und Pflichten“ der Republiken und autonomen Regionen genauer darlegen als bisher. Gleichzeitig schlägt sie die Schaffung einer „speziellen, mit der Nationalitätenfrage und den ethnischen Beziehungen befaßten“, Behörde vor. Zudem sei es zweckmäßig, innerhalb der Parlamente Sonderausschüsse für die Beziehungen der Volksgruppen einzurichten.

-Resolution über die Reform der Rechtsprechung: In dieser Entschließung wird vor allem auf die Verbesserung des rechtlichen Schutzes des Einzelnen Wert gelegt, auf die „Stärkung der Garantien bezüglich der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte“, sowie auf die Freiheit des sowjetischen Volkes. Die Konferenz spricht sich für die Schaffung eines Verfassungsrates aus mit dem Ziel, „die volle Übereinstimmung der Gesetze und Entscheidungen der Regierung mit der Verfassung“ sicherzustellen.

-Resolution über den Kampf gegen die Bürokratie: „Die Konferenz stellte fest, daß Maßnahmen zur Modernisierung der Wirtschaft und anderer Lebensaspekte oftmals durch die bürokratischen Entscheidungen der Ministerien, wirtschaftlichen Stellen oder durch die Passivität zahlreicher Parteiorganisationen behindert werden“. Es sei ferner „außerordentlich wichtig“, ein Kontrollsystem des Staates und des Volkes zu schaffen, das der Verantwortung der Machtorgane unterstellt sein soll.

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