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Die Abdankung der Grauen Eminenz

■ Gerd Weiland legt Bürgerschafts-Mandat nieder / Porträt eines Umstrittenen Von Florian Marten

Der umstrittene SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Gerd Weiland hat sein Parlamentsmandat niedergelegt. Weiland zieht damit die Konsequenzen aus den von ihm bestrittenen Vorwürfen, er habe seine politische Tätigkeit mit seinem beruflichen Engagement für die Hamburger Stahlwerke (HSW) unzulässig verquickt (taz berichtete mehrfach). In seinem Rücktrittsschreiben an Bürgerschaftspräsidentin Ute Pape spricht Weiland von einer „irrationalen Filzdebatte“. Als „ein wie auch immer geartetes Schuldeingeständnis“ will Weiland seinen Rücktritt nicht verstanden wissen: „Im Interesse der Arbeitsplätze bei den Hamburger Stahlwerken und ihrer Bedeutung für die Stadt würde ich heute genauso wie in der Zeit von 1983 bis 1993 handeln müssen“, schreibt Weiland.

Ende 1993 war Weiland bereits als HSW-Geschäftsführer zurückgetreten und hatte den Vorsitz des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft niedergelegt. taz

Eine eigentümliche, facettenreiche Person voller Widersprüche: „Gerd Gustav“, wie ihn enge Mitarbeiter nennen, ist ein Mann mit vielen Gesichtern. Graue Eminenz, Königsmacher, Industrieller, Ex-Chef der SPD-Kanalarbeiter, ungekrönter Kaiser der Hamburger Notar- und Anwaltszene, Haushaltspolitiker von hohem Rang, Made im Filzspeck – kaum ein Etikett, das sich der wuselige Intelligenzling nicht erarbeitet hätte.

Gerd Gustav Weiland hat im Lauf der Jahre seine juristischen und politischen Fähigkeiten zum Ausbau eines Imperiums genutzt, welches ihm erklecklichen Reichtum, viele Feinde und, erstaunlich spät, eine Publizität brachte, die ihn nun zwang, einen Vorposten seiner verschachtelten Verteidigungsanlagen zu räumen. „Als letztes würde er seinen Job als Rechtsanwalt aufgeben“, hatte jüngst ein Vertrauter Weilands der taz prophezeit.

Der Politiker Weiland hat bis heute den Undank der SPD nicht verzeihen können, die ihn vor einem Jahr aus dem Haushaltsausschuß kickte und ihn mit Indiskretionen jagte, um von eigenen Verfehlungen abzulenken. Als Politiker war Weiland nicht nur Bürgermeistermacher und graue Kanalarbeitereminenz, sondern auch ein geradezu besessener Haushaltsspezialist, welcher die komplizierte Maschinerie von Parlament, Senat und Finanzbehörde souverän und fachkundig zu jonglieren verstand wie kaum ein anderer. Die SPD hat bis heute keinen qualifizierten Ersatz gefunden.

Der Unternehmer Gerd Weiland hatte es schon immer schwer. Die etablierte Hamburger Geldszene hat den Aufsteiger nie als einen der ihren akzeptiert, auch wenn sie seine Fähigkeiten und seine Macht durchaus nutzte und fürchtete. Weiland wußte um diese Ablehnung. Ob die Treuhand ihm Eko-Stahl verweigert, die Landesbank über seine Stahlambitionen spottet oder die Handelskammer ihn erst gar nicht zur Kenntnis nimmt – in Weiland kitzelte es immer wieder den kleinen Terrier wach, der sich gegen die echte Elite behaupten muß.

Als einfalls- und fintenreicher Jurist hat Gerd Weiland einen Gutteil der Großen und Mächtigen dieser Stadt vertreten. Über sein Büro liefen auch nicht wenige der großen polit-ökonomischen Deals des Senats. Was Weiland vielleicht erst heute begriffen hat: Macht, Geld, Einfluß und Ehrgeiz schützen nicht davor, fallengelassen zu werden. Weiland hat keine wirklichen Freunde. Bei all seinen Talenten fehlten ihm Augenmaß und Ethik, kurz jene Eigenschaften, die mächtigen Männern auch eine schützende Aura verleihen.

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