: Die 60-Stunden-Woche
Über das harte Brot derer, die Neugründungen in der Gastronomie wagen
Angela Günther hat es gewagt. Seit Oktober vorigen Jahres führt sie das kleine Café „Tatort“ in der Bahrenfelder Straße auf eigene Rechnung. Leicht ist das nicht, denn die 47-Jährige ist die einzige Kraft vor und hinter dem Tresen - täglich von halb drei bis mindestens ein Uhr nachts. Und sie ist die Einzige, die im Falle des Misserfolges bluten müsste: Für das Inventar hat sie Geld auf ihre Lebensversicherung aufgenommen. Die einzige Sicherheit, die sie hat, ist sie selbst - Günther ist eine Institution im Stadtteil, sie stellt Kunst aus, veranstaltet Musik-, Quiz- und Tatortabende. Am 25. März findet eine Versteigerung in ihren Räumen statt.
“Ideenreichtum ist gefragt“, bestätigt Andrea Zimmermann von der Hamburger Initiative für Existenzgründer und Innovationen. Die HEI berät Menschen auf dem Weg zur Existenzgründung, die angeschlossene Bürgschaftsgemeinschaft gibt der Bank bei erfolgversprechenden Projekten Garantien für Kredite. Wichtig sei aber, betont sie, dass Unternehmerpersönlichkeit, Geschäftsidee und Standort stimmen. Zudem sei eine Eigenbeteiligung von etwa 15 Prozent die Regel. Eine Startinvestition, die abschreckt.
Es sei denn, man zimmert sich sein Interieur selbst, wie Antje Knechten und Dietmar Bruhns es für die „Kühne Lage“ taten. Als Startgeld für ihre Weinfachhandlung mit Bistro an der Schützenstraße reichten das so genannte Übergangsgeld in Höhe des letzten Arbeitslosengeldes und die Fördermittel für eine Ich-AG. Voraussetzung hierfür ist die Prüfung der Geschäftspläne durch einen unabhängigen Steuerberater, Anwalt oder Wirtschaftsprüfer.
Eine Unterrichtung über Hygienevorschriften bei der Handwerkskammer ist zudem Pflicht, sie kostet 50 Euro. Über betriebswirtschaftliche Grundlagen informieren Seminare der Handelskammer. Ein 40-stündiger Kurs über Buchführung etwa kostet 300 Euro. Wer allerdings schon bei der HEI gemeldet ist, kann zwei Drittel der Kosten sparen.
Das wichtigste Rüstzeug für den eigenen Betrieb aber kann wohl kein Seminar vermitteln: Den Spaß an dem Projekt. Knechten und Bruhns waren über Jahre europaweit edlen Tropfen auf der Spur - eine eigene Weinhandlung war ihr Traum. Heute trägt sich die „Kühne Lage“ noch nicht ganz selbst, doch das muss man aushalten können, gerade in der Gastronomie. „Wir glauben daran, dass das klappt“, kommentiert Knechten. Sie glauben und schuften: Bis zu zwölf Stunden täglich. Mathias Becker