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Archiv-Artikel

Didi macht Pläne für übermorgen

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) stellt Neuerungen vor, die meisten greifen aber erst 2006/2007. Hauptschulen sollen ihre Abbrecherquoten senken. Schulversuch soll das Sitzenbleiben nach der achten Klasse abschaffen

Von Kaija Kutter

324 von 327 Schulen rechnen „in den ersten Tagen des neuen Schuljahres“ mit der Ausgabe von Büchern an ihre Schüler. Das ist das Resultat einer Telefonumfrage, die die Schulaufsicht gestern bis 11.55 Uhr an den Schulen durchführte und fünf Minuten später bei der Pressekonferenz ihrer Senatorin öffentlichkeitswirksam präsentierte. Allerdings berichten Schulleiter wie Ulrich Mumm von Gymnasium Allee in Altona, dass es sich dabei „im Wesentlichen um gebrauchte Bücher“ handle, weil die Schulbuchgebühr zu knapp kalkuliert ist und für neue das Geld fehle.

Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) streifte das lästige Thema Büchergeld denn auch nur am Rande, als sie in einem Halbstundenreferat ihre Pläne für das neue Schuljahr vorstellte. Im Wesentlichen handelt es sich dabei aber um Projekte, die gar nicht in diesem, sondern erst im nächsten Schuljahr 2006/07 realisiert werden sollen. Dann nämlich sollen etwa vier „Inspektionsteams“ mit je drei Mitarbeitern nach und nach alle Schulen auf ihre Leistungsfähigkeit untersuchen. Und es sollen mit allen Schulen „Ziel- und Leistungsvereinbarungen“ abgeschlossen werden, für die Dinges-Dierig demnächst Kriterien veröffentlichen will.

Ein solches Ziel ist die Senkung der Abbrecherquoten, die im Schnitt bei zwölf Prozent liegen. Dinges-Dierig machte anhand einer Schautafel deutlich, dass Schulen sehr unterschiedlich erfolgreich arbeiten und deshalb auch unterschiedliche Ziele bräuchten. So gebe es Hauptschulen mit 80 Prozent Migrantenanteil, die 95 Prozent der Schüler mit Abschluss entlassen. Es gebe aber auch welche mit weit geringeren Migrantenanteilen, an denen die Hälfte der Schüler scheitert.

Durch realistische Zielvorgaben sollen nun alle angehalten werden, die Quote schrittweise auf Null zu senken. Sanktionen bei Nichterfüllung soll es nicht geben, wohl aber Vorgesetztengespräche und Fortbildungen. Dinges-Dierig: „Es wird Druck erzeugt, weil wir die Ergebnisse festlegen.“

Ebenfalls in diesem Jahr nur erprobt und erst 2006/07 eingeführt wird die Ausweitung von Vergleichsarbeiten auf alle 4., 6., 8. und 10. Klassen sowie ein viertes „praxisorientiertes“ Prüfungsfach für Hauptschüler. In diesem Jahr nur „vorbereitet“ und im nächsten Jahr als Modell erprobt wird das Abschaffen des Sitzenbleibens – allerdings nur für eine winzige Schülergruppe. Hauptschüler, die für Lehrer erkennbar ihren Abschluss nicht schaffen werden, sollen nach Klasse acht ausgegliedert und in einem zweijährigen Spezialkurs zum Hauptschulabschluss geführt werden.

Einzig bereits jetzt begonnen wird das neue Sprachförderkonzept. Ab 1. Februar sollen dann die verpflichtenden Nachmittagssprachkurse für Viereinhalbjährige beginnen, um die bei ihnen festgestellten Defizite „zu beseitigen oder zu mildern“, wie die Senatorin sagte. Dieses Konzept, bei dem die Kinder in Gruppen von durchschnittlich zwölf, im Extremfall aber auch 15 Kindern zwei Stunden am Tag zusammen lernen, ist umstritten, weil die Kinder nicht in ihrer gewohnten Umgebung lernen. Dinges-Dierig räumte ein, dass die Gruppen auch in einer Kita tagen könnten, die Durchführung und die Auswahl der Kinder geschehe aber „durch uns“.

Neu in diesem Jahr ist auch die Anwendung des Schulzwangs, der es Behördenmitarbeitern erlaubt, notfalls mit Polizeihilfe die Einschulung von Kindern durchzusetzen. Dinges-Dierig erklärte, es würden auch bei älteren Schüler jetzt „nicht mehr nur nette Briefe geschrieben“, wenn diese meinten, ein paar Tage nicht zur Schule zu müssen.

Die SPD-Politikerin Britta Ernst sprach gestern davon, dass mit dem neuen Schuljahr Dinges-Dierigs „letzte Chance“ anlaufe. Deren Leistungsbilanz sei „negativ“, ihr Ansehen „im Keller“. Ernst: „Ich gehe davon aus, dass sie im Falle einer Senatsumbildung ihr Amt verliert.“