: Diagnose: Ärzte im Ausstand
Die Ärzte streiken wieder: Gestern blieben im Norden Berlins zahlreiche Praxen geschlossen. Die Patienten wichen auf den Bereitschaftsdienst und die Notaufnahmen der Krankenhäuser aus
von Maria Daldrup
An der Tür von Renate Gomollas Praxis hängt ein Schild: „Heute keine Sprechstunde“ steht darauf. Und: „Nächste Sprechstunde am 9. Februar.“ Die Fachärztin für Innere Medizin gehört zu jenen Berliner Ärzten im Norden der Stadt, die gestern streikten. Aus Protest gegen die Politik der Bundesgesundheitsministerin und für bessere Bezahlung. Wie viele Praxen geschlossen blieben, ist nicht bekannt. Eine genaue Bilanz des Streiks soll es erst in der kommenden Woche geben, sagt Albrecht Scheffler, der Sprecher des Bündnis Berliner Kassenärzte gestern. Sie hatte alle 6.800 Praxen der Stadt zum Protest aufgerufen. Eine ganze Woche soll er dauern.
Andere Ärzte hatten an den Eingangstüren auch gleich die Begründung für den Streik mitgeliefert. Man müsse dem Protestaufruf folgen, da man gegen die Bedingungen sei, unter denen in Deutschland ärztliche und psychotherapeutische Leistungen erbracht werden müssen, stand etwa an der Hautarztpraxis von Andrea Küchle und Yves Zimmer in Mitte zu lesen. Die beiden folgen damit der Argumentation von Albrecht Scheffler: „Die Politik ist dabei, die gute medizinische Versorgung kaputtzumachen.“ Das als so leistungsstark eingestufte Gesundheitssystem existiere in Berlin nur, weil die niedergelassenen Ärzte mehr als ein Drittel der Leistungen umsonst erbrächten.
Insbesondere die von der Bundesregierung geplante Bonus-Malus-Regelung für Arzneimittel sei unhaltbar. Bereits jetzt könnten die Tagesbehandlungskosten für häufig verschriebene Medikamente kaum eingehalten werden, so Wolfgang Kreischer, Vorsitzender des Berufsverbandes der Allgemeinärzte in Berlin und Brandenburg. Tritt diese Regelung in Kraft, muss der Arzt bei Überschreitung des Wertes aus eigener Tasche mitfinanzieren; unterschreitet er diesen Betrag, so wird ihm ein Bonus ausgeschüttet. Die Tagesbehandlungskosten seien aber auf einem so niedrigen Niveau angesiedelt, dass eine optimale Therapie nicht mehr ohne finanzielle Beteiligung des behandelnden Arztes auskomme.
Doch nicht alle Praxen blieben gestern zu. Die von Allgemeinmediziner Peter Pomrenke etwa. Man müsse schließlich Geld verdienen und wolle die Patienten nicht verärgern, begründet Simona Pomrenke dies – immer wieder abgelenkt von telefonischen Anfragen, ob die Praxis in Pankow denn geöffnet sei.
Für diejenigen Patienten, die vor geschlossenen Türen standen, gab es Vertretungsärzte und den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Bis gestern, 14 Uhr, haben dessen Mitarbeiter rund 200 Hausbesuche absolviert – deutlich mehr als sonst. An normalen Tagen sind es im Durchschnitt 100, sagte gestern die Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung, Annette Kurth. Auch in den Notaufnahmen der Charité war der Andrang größer. „Wir haben die Sicherstellung gewährleistet“, sagt Scheffler.
Heute sollen erneut Praxen im Norden der Stadt geschlossen bleiben. Ab Donnerstag sind Proteste im Süden Berlins geplant.