Dewes trommelt gegen Matschie: "Letzte Messe ist noch nicht gesungen"
Richard Dewes, innerparteilicher Gegner von Thüringens SPD-Landeschef Christoph Matschie, wirbt für einen innerparteilichen Widerstand gegen die Koalition mit der CDU.
taz: Herr Dewes, kann man SPD jetzt als Selbstmörderische Partei Deutschlands ausschreiben?
Richard Dewes: Der Begriff ist etwas überzogen. Aber Christoph Matschie geht natürlich ein hohes Risiko ein. Die SPD wird geschwächt aus der Koalition mit der CDU hervorgehen, sie wird in der Regierung nicht vorkommen. Frau Lieberknecht als einziger Frau neben 15 Ministerpräsidenten wird viel Aufmerksamkeit zukommen.
Fehlt Christoph Matschie der Mut, etwas Neues zu wagen?
Jahrgang 1948, ist innerparteilicher Widersacher von Christoph Matschie. Er wurde 1994 vom damaligen Thüringer Ministerpräsidenten Bernhard Vogel (CDU) zum Innenminister berufen und war bis 1999 SPD-Landeschef. Nach einer Wahlniederlage trat er das Amt an Matschie ab und zog sich 2001 aus dem Landtag zurück. Anfang 2008 kandidiert er erneut als SPD-Landesvorsitzender, unterlag in einer Kampfabstimmung aber Christoph Matschie. Dewes befürwortet ein Bündnis mit der Linkspartei, auch mit einer SPD als Juniorpartner.
Sicher. Er geht den einfachen Weg in einer sogenannten großen Koalition als Juniorpartner. Rot-Rot-Grün wäre im Fokus der gesamtdeutschen Öffentlichkeit gestanden. Matschie hat dieses Projekt nicht gewagt.
Der Vorwurf an die Linkspartei ist, sie habe sich in der Ministerpräsidentenfrage nicht bewegt.
Die Linkspartei und die Grünen haben nur gefordert, dass man sich zu dritt auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin verständig. Die SPD hat gesagt, wir legen fest und ihr habt zu akzeptieren. Es war eine geplante Strategie von Matschie, dieses politische Projekt scheitern zu lassen.
Die Stasi-Vergangenheit zweier Linkspartei-Abgeordneter soll ein Hindernis gewesen sein.
Das sind nachgeschobene Argumente, die heuchlerischer gar nicht sein könnten. Dazu gab es eine Erklärung, die wurde von allen Seiten akzeptiert.
Waren Sie, auch vor dem Hintergrund des SPD-Ergebnisses bei der Bundestagswahl, überrascht von der Entscheidung?
Natürlich. Das sehe ich nicht nur parteipolitisch. Schwarz-Gelb wird Einschnitte ins soziale Netz vornehmen, da müssen SPD, Linkspartei und Grüne in der Opposition gegensteuern. Der Bundesrat wird ein wichtiges Instrument. Die SPD kann sich nur über kommunale Ebenen und die Länder regenerieren. Es ist unverantwortlich und töricht in der jetzigen Situation, eine CDU-Ministerpräsidentin auf den Schild zu heben und damit die abgewählte CDU an der Macht zu halten. Das ist das falsche Signal und wird sich bitter rächen.
Wird die Thüringer SPD denn Matschie vertrauen und die Koalition mit der CDU auf einem Parteitag absegnen?
Die letzte Messe ist noch nicht gesungen. Wir werden jetzt offen diskutieren müssen. Auf Regionalkonferenzen die SPDler informieren, damit wir eine authentische Abstimmung bekommen. Wie die ausgeht, ist derzeit ungewiss.
Formiert sich bereits Widerstand?
Es gibt massiven Protest gegen die Entscheidung. Wir werden dafür werben, dass auf dem entscheidenden Parteitag eine Mehrheit gegen Schwarz-Rot in Thüringen zustande kommt.
Werden Sie selbst wieder mehr in Erscheinung treten?
Ich will unterstützend mitwirken, aber nicht an die Spitze. Ich bin nach wie vor bereit, bei Rot-Rot-Grün mitzuarbeiten. Ein solches Projekt würde über die Grenzen Thüringens hinaus in die gesamtdeutsche Politik hineinwirken. Ich will, dass es in ein paar Jahren Rot-Rot-Grün im Bund gibt. Und meine Vision ist es, dass sich irgendwann die SPD und die Linkspartei wieder in einer Partei zusammenfinden können.
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