piwik no script img

Deutschlandtour von Bruce SpringsteenHymnen, Träume und Albträume

Bruce Springsteen startet am Mittwoch seine Deutschlandkonzerte. In der US-Heimat ist er bei den Konservativen verhasst. Höchste Zeit für eine Lebensbilanz.

Volle Breitseite. Schon beim Auftakt seiner Europa-Tournee äußert Springsteen deutliche Kritik an Trump Foto: Andy Von Pip/Zuma/dpa

Tulsa, Oklahoma, dort habe ich Bruce Springsteen und die E-Street Band im Februar 2023 im Konzert erlebt. Anders als Auftritte vom „Boss“ an der West- und Ostküste waren die Konzerte im Kernland der USA damals bei weitem nicht ausverkauft.

In Tulsa war es kein Problem, noch am Tag des Konzerts gute Plätze zu ergattern. Draußen vor dem Gelände beschallten evangelikale Abtreibungsgegner die ­Spring­steen-Fans. Während diese den Einlass in die Halle herbeisehnten, wurden sie per Megafon unaufhörlich mit den fundamentalistischen Botschaften von der anderen Straßenseite belästigt. Die Stimmung war gereizt, sogar feindselig.

Mit Kontroversen kennt sich der 1949 in New Jersey geborene US-Rockstar aus. Vor Kurzem hat Bruce Springsteen seine Europatournee gestartet und sich gleich beim Auftakt in Manchester ausgiebig zur zweiten Amtszeit von Donald Trump geäußert.

Abscheu vor Trump

Seine Abscheu vor dem Präsidenten hat er schon wenige Tage später auf einer Live-EP für die ganze Welt festgehalten und wiederholt sie unbeirrbar bis jetzt bei jedem Konzert. Trumps Drohung, Springsteen werde schon sehen, was passiere, wenn er nach Hause zurückkommt, hängt jetzt wie eine schlingernde Blendgranate in der Luft. Es scheint, als wäre Springsteen nicht nur ein Bollwerk für Freiheit in Trumps Amerika. Sondern dadurch auch richtig gefährlich.

Deutschlandkonzerte Bruce Springsteen

Bruce Springsteen and the E-Street Band, live, 11. Juni 2025, Olympiastadion, Berlin, 18. Juni 2025, Deutsche Bank Park, Frankfurt a. M., 27. Juni 2025, Veltins Arena, Gelsenkirchen

Als er in den frühen 1970ern von New Jersey aus loslegte, war solch ein Einfluss auf die Weltpolitik noch nicht absehbar. David Bowie war schon ein Superstar, als er noch zu Glamrock-Zeiten „Growin’ up“ von Springsteens erfolglosem Debütalbum coverte. Die Zeile „When they said: sit down! I stood up“ aus jenem Song tat bestimmt ihre Wirkung auf Bowie. Und sie ist ein schönes Beispiel dafür, dass Bruce ­Spring­steen von Anfang an ein Meister darin war, Lebensgefühle seiner Hö­re­r*in­nen auf den Punkt zu bringen.

Von dieser Fähigkeit leben die Shows mit der E-Street Band bis heute. „We learned more from a three minute record than we ever learned in school“ („No Surrender“): Da wird es auch nach 40 Jahren bei den anstehenden Konzerten in Berlin, Frankfurt und Gelsenkirchen kein Halten geben.

Unwiderruflich Mainstream

Als 1975 im Club CBGB’s in New York mit den Ramones, Patti Smith, Television, Suicide, Blondie und den Talking Heads die US-Punk- und New-Wave-Szene explodierte, war ­Spring­steen vom Rockmagazin Rolling Stone schon zur „Zukunft des Rock ’n’ Roll“ ausgerufen worden und somit unwiderruflich Mainstream. Trotzdem hatte er immer eine große Affinität zu dieser subkulturellen Szene.

Er teilte sich mit Patti Smith nicht nur den Produzenten (Jimmy Iovine), sondern komponierte zusammen mit der Rocksängerin auch den Song „Because the Night“. Ein Klassiker. Viel später in seiner Karriere zollte Springsteen auch den sperrigsten Vertretern der CBGB’s-Generation, dem Duo Suicide, seinen Tribut: Auf der Devils-&-Dust-Tour, 2005, beendete er seine Sets jeden Abend mit einer Coverversion ihres Signatursongs „Dream, Baby Dream“. Ganz alleine stand er auf der Bühne, mit geloopter Pumporgel als einziger Instrumentierung. Und damit war ­Spring­steen sehr weit weg vom ­Mainstream oder den Erwartungen seiner Fans.

Solche Solo-Eskapaden waren natürlich immer die Ausnahme. Ohne die E-Street Band wäre Bruce ­Springsteen wohl heute kein Stadion-Füller, wie momentan wieder in Europa. Es gab bei der Band über die Jahre auch Umbesetzungen, aber eigentlich nur, wenn jemand gestorben ist. Darum ist es auch kein Klischee, wenn man von der E-Street Band als Springsteens „Familie“ spricht.

Nicht überladen, mit Power

Eine Familie, die es schafft, nicht überladen, aber mit Power auf den Punkt zu kommen. Großartig! Von diesem Konzert in Tulsa 2023 gibt es bei Youtube einen Mitschnitt der ersten paar Songs, und wenn man da sieht, mit welcher Begeisterung Drummer Max Weinberg ohne Mikrofon die Lyrics mitschmettert, dann kriegt man ein Gefühl dafür.

Der Megaerfolg, Geld und Ruhm kamen für Springsteen 1984 mit dem Album „Born in the USA“. Fluch und Segen. Da sind die Kracher drauf, die bis heute den Zugabenteil seiner Konzerte ausmachen: „Dancing in the Dark“, „Glory Days“, „Bobbie Jean“ oder eben der große, missverstandene Titelsong.

Von Ronald Reagan bis Donald Trump waren es vor allem US-Republikaner, die zum Macho-Intro dieses Songs selbst forsch die Wahlkampfbühnen betreten haben, bevor Springsteen ihnen dann die Verwendung seiner Musik untersagt hat. Dass das Lied eben keine Hymne auf die USA der Republikaner ist, sondern wenn schon eine Hymne, dann eine Hymne auf die Abgehängten des Landes, hat diese Leute freilich nie zum Nachdenken gebracht.

Politische Anliegen

Für politische Anliegen hat Springsteen sich immer wieder und ohne zu zögern eingesetzt. Etwa in den 1970ern gegen Atomkraft, als er das „NoNukes“-Konzert im New Yorker Madison Square Garden ini­tiierte. 1985 für die streikenden Bergarbeiter im Nordosten Englands. Als er sich mit den Frauen der „Support Groups“ backstage nach einem Konzert in Newcastle traf und ihnen finanzielle Unterstützung zukommen ließ. Drei Jahre später dann bei seinem Konzert auf der Radrennbahn in Weißensee im Ostteil Berlins, dem größten Konzertereignis in der Geschichte der DDR, dessen Bedeutung ich als bayerischer Wessi erst viele Jahre später begonnen habe zu verstehen.

Springsteens Unterstützung für Amnesty International und Greenpeace hat auch nie aufgehört. Und dabei hat sein Engagement zum Glück nie seine künstlerische Arbeit überschattet. Bis heute hat Bruce Springsteen 21 Studioalben veröffentlicht. Natürlich sind darunter nicht nur Meisterwerke, aber ich würde mal sagen: egal.

Denn neben den großen kommerziellen Erfolgen sind es gerade die eher leisen Alben wie „Tunnel of Love“(1987), „The Ghost of Tom Joad“ (1995) und „Wrecking Ball“ (2012) gewesen, die ihn in die höchste Liga der Song­wri­te­r*in­nen geführt und dort verankert haben. Wie sonst vielleicht nur Woody Guthrie, hat Springsteen den cracksüchtigen Strichern, den Arbeitslosen, den Obdachlosen, den alleinerziehenden Müttern, den Unscheinbaren und all den Underdogs, die trotzdem unablässig an den American Dream glauben, viele glaubwürdige Denkmäler gesetzt.

Und das nicht immer nur zur Freude seiner Fans. Wer die Ups und Downs seiner Karriere mitverfolgt hat, weiß, dass die Kunst von Bruce Springsteen immer mehr war und mehr ist, als in einen drei Minuten Song rein passt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Schön zu lesen. Ich war nie E-Street Band Fan, aber hier stehen 50cm Platten vom Boss, wenn er "I wish I where blind" oder "Queen of the Supermarket" sind dann werde ich weich.

  • Es gibt nur einen Boss und das ist nicht Donald Trump.

  • Sehr schöner Text, danke. Ich war nie Springsteen-Fan und habe auch keine einzige Platte von ihm. Aber



    momentan scheint die komplette Trump-Opposition tatsächlich aus Springsteen zu bestehen, die Demokratische Partei ist nicht existent. Und was Musiker angeht: Wo ist der Rest? Bob Dylan: Zu alt? Neil Young: Ein bissl was genörgelt; Daryl Hannah immerhin die einzige, die bei Oscars was gesagt hat. Die Jüngeren? Egal welche Musikrichtung: Fehlanzeige. Zumindest ist mir nichts becunt.