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Bundeskongreß der Grünen in Bayreuth:„Deutschland ohne uns wäre schwarz-rot-gold“

■ Grüne in großer Einheit: Zwei Vertreter der DDR-Grünen wurden in den Bundesvorstand aufgenommen, trotz prominenter Austritte hin zur Linken Liste/PDS gab es keinen Linienstreit. Vorstandssprecher Ströbele verglich die Deutschlandpolitik der SPD mit der Bewilligung der Kriegskredite, wollte aber eine Koalition nicht völlig ausschließen ...

Am Ende der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Bayreuth war der Vorstand zufrieden: Die Partei habe vor den gesamtdeutschen Wahlen und Landtagswahlen in Bayern und den DDR- Ländern eine flügelübergreifende Geschlossenheit gezeigt und klare Positionen gefunden, die gewachsenes Selbstvertrauen bewiesen. Tatsächlich kennzeichnete eine für Grüne fast einmütige Atmosphäre das Treffen unter dem Leitmotiv: „Ohne uns wird alles schwarz-rot- gold“. Schon die Einleitungsrede des Bundesvorstandssprechers Christian Ströbele lag ganz auf der Linie, den Deckel auf die Abwanderungen zur Linken Liste/PDS und die Äußerungen zur Weltmachtsrolle Deutschlands zu packen. Er grenzte die Grünen scharf gegen die PDS ab. Eine Partei, die sich bewußt in der Tradition der SED stehend begreife, für neue Atomkraftwerke eintrete und sich der SPD bedingungslos „an den Hals wirft“, könne „kein Bündnispartner für linke und grüne Politik“ sein, sagte Ströbele. Mit seiner durchweg mit Beifall begleiteten Rede unterstrich er seine Rolle als unangefochtene Intergrationsfigur.

Ebenso klar zog er den Trennungsstrich zu Äußerungen von Antje Vollmer und ihren Mitarbeitern Udo Knapp und Bernd Ulrich über Deutschlands Weltmachtrolle. Den Einsatz deutscher Truppen im Golfkonflikt zu denken, „rührt an die Grundfesten der Grünen“, rief Ströbele: Eine „zivilisierte Weltmacht Deutschland“ sei ebenso ein Unding, wie Demokraten „für einen guten Diktator“ eintreten könnten. Die Grünen setzten sich vielmehr dafür ein, möglichst viel deutsche Souveränitätsrechte an übergeordnete Organisationen wie der KSZE abzugehen. Man werde alles gegen eine Grundgesetzänderung mobilisieren, die den Einsatz der Bundeswehr außerhalb Deutschlands möglich machen, sagte Ströbele, der die neuen Rekruten aufforderte, den Wehrdienst zu verweigern.

Unmißverständlich wie gegen die PDS war auch Ströbeles Ablehnung der SPD, mit der er erneut die Koalitionsdebatte anfachte. Mit einer Partei, die mit ihrer Politik der bedingungslosen Zustimmung zum Einigungsvertrag zurückgefallen sei in die Kriegskredite-Position von 1914, könne es „kein Bündnis und keine Koalition geben“. Abschwächend erklärte Ströbele später, selbstverständlich werde man „jede Bündniskonstellation“ nutzen, um grüne Inhalte durchzusetzen. Der zu den Parteilinken zählende Vorstandssprecher geißelte die „Politik des neuen Nationalismus“ der Regierungskoalition und nannte den Einigungsvertrag die „größte Landnahme der deutschen Industrie“ seit Nazizeiten. Eine Aussprache zu Ströbeles Einleitungsrede stand nicht auf der Tagesordnung.

Der auf dem letzten Parteitag gegen Ströbele unterlegene Ralf Fücks (Aufbruch) hielt seinem Nachfolger als Vorstandssprecher vor, es sei „daneben“, die deutsche Einheit 1990 in „eine historische Reihe zu stellen mit 1914, 1933 und 1939“. Die Partei dürfe sich nicht wieder in den „Bunker der linken Rechthaberei zurückziehen“, sondern müsse am Anspruch festhalten, Deutschland mitzugestalten, kritisierte Fücks auch in bezug auf die Koalitionsabsage mit der SPD. Gegen die These von einem Nationalstaatstaumel wandte sich auch Udo Knapp, der Ströbele vorwarf, die Grünen auf eine Rolle als Oppositionspartei festlegen zu wollen. Er könne sich der Kritik an der SPD nicht anschließen, deren Mitglieder für ihn politische „Weggefährten“ seien, erklärte auch Hans-Peter Schneider aus der DDR (Demokratie Jetzt).

Mit der Abstimmung eine Teils der bereits verabschiedeten Wahlkampfplattform bemühten später realpolitisch orientierte Kräfte, die Option zur SPD offenzuhalten. Die SPD müsse sich „jetzt entscheiden“, ob sie mit den Grünen um eine Alternative zur Politik der Bundesregierung kämpfen wolle. gn

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