Deutschland gegen Zypern: Ein Fähnchen für Deutschland
Alles eine Frage des Systems: Das deutsche Team gewinnt - und auf links erlebt Lukas Podolski in Hannover endlich wieder einen großen Tag.
Es gibt sie immer noch, die Fähnchenfahrer. Gestern Früh war so einer in Berlin-Mitte unterwegs, ein Ford-Lenker mit dem Kennzeichen B-KX 89**. An seiner linken Hintertür flatterten die deutschen Farben. Die Fahne war weder zerfleddert noch dreckig. Wie neu wirkte die Autostandarte. Der Ford-Fahrer hatte sich wohl gedacht, nach dem 4:0 der Nationalelf in Hannover gegen Zypern wäre es mal wieder angebracht, das Ding zu hissen. Voriges Jahr fuhren Zehntausende so herum. Die Masse besann sich rechtzeitig. Übrig blieben ein paar Unverbesserliche, die nicht gemerkt hatten, dass das Sommermärchen längst sein Happy End gefunden hatte.
Ergebnis: 4:0 (2:0)
Deutschland: Lehmann (FC Arsenal) - Arne Friedrich (Hertha BSC), Mertesacker (Werder Bremen), Metzelder (Real Madrid), Lahm (Bayern München) - Fritz (Werder Bremen) / 77. Hilbert (VfB Stuttgart), Hitzlsperger (VfB Stuttgart), Trochowski (Hamburger SV) / 66. Borowski (Werder Bremen) - Podolski (Bayern München) - Klose (Bayern München) - Gomez (VfB Stuttgart) / 73. Hanke (Hannover 96)
Zypern: Georgallidis (Omonia Nikosia) - Theodotou (Omonia Nikosia) / 20. Marios Nikolaou (Panionios Athen), Christou (AEK Larnaka), Lambrou (Anorthosis Famagusta), Garpozis (Apollon Limassol) - Makridis (APOEL Nikosia), Satsias (APOEL Nikosia) - Charalambidis (FC Carl Zeiss Jena) - 46. Theofilou (Apollon Limassol) - Aloneftis (Energie Cottbus) - Okkas (Celta Vigo) - Konstantinou (Olympiakos Piräus) / 68. Yiasoumi (Aris Limassol)
Schiedsrichter: Rasmussen (Dänemark)
Zuschauer: 45.016 (ausverkauft)
Tore: 1:0 Fritz (2.), 2:0 Klose (20.), 3:0 Podolski (53.), 4:0 Hitzlsperger (82.)
Wer heute noch mit Fähnchen fährt, will zeigen, dass er stolzes Mitglied der RTL 2-Zuschauerschaft ist und seine kulturellen Höhepunkte auf dem heimischen Sofa verlebt. Gut möglich, dass B-KX 89** aber auch nur ein stolzes Mitglied des Fanclubs Nationalmannschaft ist. Vor der Weltmeisterschaft waren 14.000 Gestalten in diesem sinistren Geheimbund organisiert, jetzt sind es schon über 50.000 - und es werden immer mehr. Auch in Hannover waren sie wieder mit dabei, sangen - was sie am liebsten tun - alle fünf Minuten die Nationalhymne und sind das, was Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), eine "wirklich dufte Truppe" nennen würde.
Die Kombattanten der Truppe werden in den nächsten Tagen dafür sorgen, dass der Verkauf von Lukas-Podolski-Shirts sprunghaft ansteigt. Der Münchner Bua drehte in Hannover ja mächtig auf. Bundestrainer Joachim Löw hatte ihn ins Mittelfeld beordert. Podolski spielte auf dem linken Flügel. Ein großartiger Schachzug war das. Lukas Podolski rannte nicht mehr melancholisch im Sturm herum auf der Suche nach dem finalen Schuss, sondern er entdeckte seine Leidenschaft für den Flügellauf und den Pass ins Zentrum des Geschehens. Frisch und beschwingt spielte er, scheinbar aller Sorgen entledigt. Oder wollte er Ottmar Hitzfeld nur sagen: "Hier bin ich richtig, hier will ich sein!" Podolski hat ja schon ein paarmal angedeutet, dass er im Mittelfeld besser aufgehoben wäre. Löw hat ihn erhört - und wieder einmal alles richtig gemacht.
Einmal abgesehen von der Pleite gegen Tschechien, ist Bundestrainer Löw weit gekommen: Sein System ist so sicher, dass es auf die handelnden Akteure kaum noch ankommt. Fehlt ein komplettes Mittelfeld (Michael Ballack, Bernd Schneider, Torsten Frings und Bastian Schweinsteiger), tritt der flinke Lukas P. auf den Plan. Demnächst könnten Per Mertesacker oder Christoph Metzelder im Sturmzentrum brillieren und Miroslav Klose in der Innenverteidigung. Keine Frage, diese Mannschaft ist innerlich gefestigt. So wie der Fähnchenfahrer von Berlin-Mitte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht