piwik no script img

Deutschland gegen ElfenbeinküsteGut kombiniert, schlecht konzentriert

Im Testspiel gegen starke Ivorer spielte die DFB-Elf ansprechend. Vor allem der Sturm überzeugte. Weil es nach dem Abschied von Enke an Konzentration mangelte, hätte das Spiel gut verloren gehen können.

Endlich mal wieder ein guter Sturm: Podolski und Kießling. Bild: ap

GELSENKIRCHEN dpa | Es war ein flottes Spiel mit schönen Kombinationen nach vorn. Und es war der Sturm, der am meisten überzeugte. So war es Lukas Podolski, der der deutschen Nationalmannschaft mit einem Last-Minute-Treffer zum Jahresabschluss ein Unentschieden rettete. Der Kölner erzielte am Mittwochabend in Gelsenkirchen in der dritten Minute der Nachspielzeit das Alles in Allem verdiente 2:2 (1:0) gegen die Elfenbeinküste.

Schon in der 11. Minute war die deutsche Elf durch einen von Podolski verwandelten Foulelfmeter in Führung gegangen. Das Team zeigte eine ansprechende Leistung. Auch wenn sich in der zweiten Hälfte Konzentrationsmängel häuften, als die Ivorer immer gefährlicher vors deutsche Tor kamen. Das lag sicher auch an der Trauerstimmung nach dem Tod von Robert Enke, dem noch einmal gedacht wurde. "Der Spagat war nicht ganz so einfach zu schaffen", sagte der Bundestrainer Joachim Löw.

Ein halbes Eigentor des Schalker Torhüters Manuel Neuer hatte in der 57. den Auftrieb der Afrikaner unterstützt: Nach einem dämlichen Rückpass von Vereinskollege Heiko Westermann konnte Neuer nur noch irgendwie auf den Ball eindreschen – und traf mit voller Wucht Emmanuel Eboué (57. Minute), von dessen Brust der Ball unhaltbar ins Tor sprang. Eboué konnte sich nicht einmal freuen, so schmerzhaft war der unfreiwollige Treffer.

Die Ivorerer hatten viele weitere Chancen bis in der 85. Minute der zwei Minuten zuvor eingewechselte Seydou Doumbia den zweiten Gästetreffer erzielte. Zudem gab es mehrere Szenen, in denen die Ivorer eigentlich einen Elfmeter hätten zugesprochen kriegen müssen. Der Bundestrainer war dennoch zufrieden: "Die Moral war gut. Wir wollten uns mit einer Niederlage nicht abfinden", urteilte Joachim Löw. "Mein Urteil fällt positiv aus."

Im vorletzten Test vor Benennung des WM-Kaders für Südafrika hatten die Gastgeber vor 33.000 Zuschauern zahlreiche Torchancen. Auch nach dem unglücklichen Ausgleich und dem bitteren zweiten Gegentor drängten die Gastgeber auf einen Treffer. Die besten Gelegenheiten vergaben zunächst Podolski (74.) und der bei seiner Einwechslung ausgepfiffene Mario Gomez (81.).

Die DFB-Elf, in der der Bremer Aaron Hunt als 32. Löw-Neuling für zwölf Minuten sein Debüt feierte, beendete 2009 mit einer positiven Bilanz von sieben Siegen, drei Unentschieden und einer Niederlage. Am 3. März 2010 beginnt der WM-Countdown mit der Härteprüfung gegen Argentinien in München.

Die Partie gegen die Elfenbeinküste war Test- und Gedenkspiel zugleich. Ein tatsächlicher, sportlicher Maßstab konnte sie aber nicht sein. Vor dem Anpfiff wurde bei einer Schweigeminute an den gestorbenen Robert Enke erinnert. Ein Film auf der Videoleinwand zeigte Bilder des Nationaltorwarts. Dazu wurde der Fußball-Song "You'll never walk alone" gespielt. "Das war ein mulmiges Gefühl", sagte Per Mertesacker. "Aber das konnten wir im Spiel ganz gut abschüttel."

Beide Mannschaften spielten mit Trauerflor. Auf der deutschen Ersatzbank war ein Trikot mit dem Namenszug des Torwarts von Hannover 96 platziert. Schon vor der Partie hatten sich die Nationalspieler in einem bewegenden Offenen Brief von ihrem Kollegen verabschiedet, der vor acht Tagen Selbstmord begangen hatte. Sympathisch auch die Geste der Spieler der Elfenbeinküste, die sich zum Aufwärmen und für die Nationalhymnen Trikots mit einem Bild von Enke übergezogen hatten.

Nur zaghaft erklangen nach dem Anpfiff Gesänge. Die Atmosphäre in dem lediglich gut zur Hälfte gefüllten Stadion blieb bis zum Führungstor gedrückt. Doch dann näherte sich die Stimmung und der Lärm auf den spärlich besetzten Rängen schnell dem normalen Länderspielniveau. Nach knapp einer halben Stunde versuchten sich die Fans an einer "La Ola".

Trotz aller Trauer musste Löw das Duell mit dem WM-Teilnehmer zum Testen nutzen. Ohne den angeschlagenen Kapitän Michael Ballack (Knie), der in Zivil auf der Ersatzbank saß, kehrte der Bundestrainer zum System mit einer Mittelfeldraute zurück. Dabei war Mesut Özil zentraler Spielgestalter.

Im Angriff durfte sich neben Podolski erstmals Stephan Kießling von Beginn an beweisen und nutzte seine Chance. Schon nach zehn Minuten holte der bewegliche Leverkusener im Laufduell mit dem für Hamburg spielenden Guy Demel den Elfmeter heraus, den Podolski verwandelte.

Kurz darauf hatte Ersatzkapitän Philipp Lahm Glück, dass der Heber des agilen Eboué (13.) nach zu kurzem Kopfballrückpass auf der Latte landete. Tim Wiese, dem in der ersten Halbzeit die emotional schwere Aufgabe zukam, in seinem ersten Starteinsatz im DFB-Trikot auf der Enke-Position zu spielen, hätte keine Chance gehabt. Überhaupt boten sich ihm keine Gelegenheiten, sein Torwart-Können zu demonstrieren.

Die offensive Ausrichtung von Löw zeigte mit attraktiven Spielzügen Wirkung. Das lag aber auch daran, dass auch das Team der Elfenbeinküste beherzt nach vorne spielte. Gegen den technisch versierten Gegner konnte sich die DFB-Auswahl dabei auch leichtere Abwehrwackler auf den Außenbahnen leisten und hätte vor der Pause den Vorsprung ausbauen können.

Stuttgarts Arthur Boka klärte bei einem Kopfball von Westermann (25.) auf der Linie. Podolski (22./31.) versuchte es aus der Distanz. Özils (32.) Schuss aus freier Position war zu lasch. Trochowski (44.) traf kurz vor dem Halbzeitpfiff nur den Pfosten.

Im zweiten Abschnitt kam der Schalker Neuer für Wiese zum vereinbarten Heim-Einsatz und hatte reichlich Pech, als Westermann schlampig zurückpasste und er Arsenal-Profi Eboué, den übrigens besten Spieler der Partie, anschoss. Zuvor hatten die Antreiber Podolski (51.) und Kießling (53.) auf der Gegenseite Akzente gesetzt – doch das mögliche zweite Tor verpasst.

Da beide Mannschaften nicht mit letzter körperlicher Konsequenz agierten, setzte sich das ansehnliche Spiel fort. Es hätten auch erheblich mehr Tore fallen können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • B
    Burger

    "... von dessen Brust der Ball unhaltbar ins Tor sprang."

    Ich weiß ja nicht wo die taz die brust sieht, aber für mich sah das schmerzhafter als die brust aus ;-)