Deutschland bei der Eishockey-WM: Eine bewegliche Wucht
Mit dem eingeflogenen NHL-Star Leon Draisaitl bezwingt Deutschland Italien. Im Team ist die Zuversicht groß, in das WM-Viertelfinale einzuziehen.
Natürlich war er das. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft erzielte am Samstag im vorletzten Gruppenspiel ein 4:1 gegen den Außenseiter Italien. Draisaitl war nach dem Aus der Oilers in den NHL-Playoffs zwar erst am Morgen in Frankfurt gelandet, er hatte vor der Partie nicht mit dem Team trainieren können – und er war durch den Zeitunterschied von acht Stunden Jetlag-geplagt.
Trotzdem setzte er auf dem heimischen Eis auf Anhieb Akzente. Er gewann viele Bullys, bereitete Tor Nummer eins von Christian Ehrhoff wunderbar vor, überhaupt war sein Passspiel phänomenal. „Er macht alle Spieler besser, egal, wer auf dem Eis steht“, jubilierte Bundestrainer Marco Sturm.
Offensiv-Verteidiger Ehrhoff befand: „Er wertet unser Team qualitativ auf und hat schon ein super Spiel gemacht. Das hilft uns natürlich weiter.“ Neid wegen des Rummels um den NHL-Star scheint es im Team nicht zu geben, alle erkennen sie – fast ehrfürchtig – an, dass Draisaitl ein Ausnahmespieler sei, der Beste, den Deutschland je hatte.
Am Dienstag geht's gegen Lettland
Der Mittelstürmer ist tatsächlich eine Wucht. 1,88 m groß und fast 100 Kilo schwer, ist er dennoch sehr beweglich und schnell. Außerdem glänzt er mit Übersicht und Spielverständnis. In den abgelaufenen Playoffs kam Draisaitl in 13 Spielen auf 6 Tore und 10 Vorlagen, in der regulären Saison in 82 Partien auf 29 Treffer und 48 Vorlagen – oder anders ausgedrückt: Im dritten NHL-Jahr ist er zu einem der Stars der Liga aufgestiegen.
Im deutschen WM-Team gehen alle davon aus, dass sich mit ihm die Chancen verbessert haben, ins Viertelfinale einzuziehen, also mindestens Gruppen-Vierter zu werden. Dazu muss die DEB-Auswahl am Dienstag (20:15 Uhr) Lettland bezwingen. Beide Teams haben neun Punkte auf dem Konto. Wer gewinnt, kommt weiter. Eine ähnliche Situation hatten sie im September bei der Olympia-Qualifikation in Riga. Dort gewannen Sturms Profis das entscheidende Spiel gegen Lettland 3:2 – mit einem Tor und einer Vorlage Draisaitls.
Draisaitl durfte bei seiner Mutter übernachten
Wie im Herbst in der lettischen Hauptstadt soll auch in Köln Torhüter Philipp Grubauer (25) zum Einsatz kommen. Der Ersatzkeeper der Washington Capitals stieß ebenfalls am Samstag zur Nationalmannschaft. „Der Plan ist, dass Philipp gegen Lettland spielt“, sagte Sturm. Thomas Greiss (31) von den New York Islanders wird bei der WM nicht mehr auflaufen. Die Verletzung, wegen der er in der Partie gegen die Slowakei am Mittwoch vom Eis ging, sei schlimmer geworden, lautet die offizielle DEB-Version.
Wahrscheinlich sind sie aber ganz froh darüber, dass Greiss nicht mehr auftaucht. Es hatte am Freitag einigen Wirbel gegeben, da bekannt wurde, dass Trump-Fan Greiss im US-Wahlkampf bei Instagram ein „Gefällt mir“ unter einen Beitrag gesetzt hatte, der ein Foto Adolf Hitlers zeigte und den Schriftzug: „Nie verhaftet, nie verurteilt, genauso unschuldig wie Hillary (Clinton).“ Sogar DOSB-Präsident Alfons Hörmann drohte Greiss mit dem Ausschluss aus dem Olympia-Team. Den Post hat Greiss wieder entlikt, und der DEB hat betont, dass der Torhüter weder Nazi noch Rechtspopulist sei. Doch auf Trubel dieser Art verzichten sie gern.
Der müde Held aus Edmonton bekam derweil ein Bonbon vom Trainer. Statt im Mannschaftshotel durfte er bei seiner Mutter übernachten, die in Köln wohnt. „Wenn ich könnte“, sagte Draisaitl, „würde ich zwei Tage durchschlafen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit