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Deutschiraner Dejagah fehlt wieder gegen IsraelDie sprechende Wade

Kommentar von Markus Völker

U 21-Auswahlspieler Ashkan Dejagah tritt nach dem boykottierten Match in Israel auch im Rückspiel in Deutschland wieder nicht an. Über die Hintergründe seines Fehlens.

Hat es leichter gegen Island: Ashkan Dejagah. Bild: dpa

A shkan Dejagah ist ein guter Fußballer. Ein Leistungssportler. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn Dejagah ist auch ein politischer Akteur. Seine Familie stammt aus dem Iran, aus jenem Land, das den Staat Israel nicht anerkennt und dessen Präsident Mahmud Ahmadinedschad regelmäßig antisemitische Hetze betreibt. Dejagah ist seit fast 20 Jahren in Deutschland, besitzt beide Pässe.

Zum politischen Akteur ist der gebürtige Teheraner Dejagah im Vorjahr geworden, als er aus persönlichen Gründen, wie er sagte, nicht in Israel gegen die U 21-Auswahl des Landes antreten wollte. Er täuschte keine Verletzung vor, weil er "niemanden verarschen" wollte. Er versuchte zu erklären, dass, hätte er gespielt, Familienangehörige im Iran Probleme bekommen hätten. Auch hätte Dejagah womöglich nicht mehr in den Iran einreisen können.

In einer hitzigen öffentlichen Debatte wurden dem Kicker rassistische und antisemitische Motive unterstellt. Die Bild-Zeitung wetterte, wer aus politischen Gründen nicht nach Israel fliege, dürfe "nie wieder für Deutschland spielen".

Dejagah versicherte später im Gespräch mit dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, für das Rückspiel gegen Israel in Deutschland zur Verfügung zu stehen. Aber genau das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Dejagah wird am Dienstag in Duisburg nicht spielen - wegen einer Wadenverletzung. Handelt es sich um eine vorgetäuschte Muskelverhärtung? Hat er sich nun doch dazu entschieden, die Öffentlichkeit zu täuschen und den Weg des geringeren Widerstandes zu gehen? Steckt mehr hinter der Absage? Man weiß es nicht.

Auf jeden Fall ist er mit dem ärztlichen Attest keineswegs fein raus. Vermutungen und Gerüchte werden erneut aufkommen, was von Dejagahs Absenz in diesem Schlüsselspiel zu halten ist. Es ist nicht auszuschließen, dass die CDU sein Verhalten als "völlig inakzeptabel" geißelt und der Zentralrat der Juden in Deutschland von einem Affront spricht - wie im Oktober 2007 geschehen.

Der Deutsche Fußball-Bund in Person von Medienchef Harald Stenger ist also gewarnt und versichert deswegen schon mal vor einem möglicherweise losbrechenden Proteststurm, es gehe jetzt alles mit rechten Dingen zu. "Es ist bedauerlich, weil gerade er vor dem Israel-Spiel besonders im Blickpunkt stand. Doch die medizinische Diagnose ist so eindeutig, dass die Absage unausweichlich war", sagt Pressesprecher Stenger.

Wie man es auch dreht und wendet, der Fußballprofi Dejagah steckt in einem Dilemma. Es wäre nur aufzulösen gewesen durch eine Teilnahme am Spiel - oder ein öffentliches politisches Bekenntnis.

Dabei steht eine Frage im Mittelpunkt: Darf man von einem in Deutschland sozialisierten 22-jährigen Burschen verlangen, sich von einem Hass predigenden Politiker zu distanzieren und für Völkerverständigung einzutreten? Oder, wenn ihm das zu "heiß" ist, könnte er nicht trotz Verletzung bei der U21-Nationalmannschaft weilen und dadurch mehr sagen als tausend Worte?

Ashkan Dejagah hat sich - bislang - für eine andere Variante der Meinungsäußerung entschieden: Er ist auf sehr beredte Art an der Wade verletzt.

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8 Kommentare

 / 
  • S
    Skepsis

    @ "Scarlett Pimpernell"

     

    "Tja, da scheint uns Dejagah und DFB mal wieder ordentlich verarschen zu wollen."

     

    Wieso mal wieder? Mir ist nicht bekannt, dass dies der DFB und/oder Dejagah in der Vergangenheit getan hätten. Vielmehr war doch gerade Dejagahs Offenheit der Anlass für die kleinkarierte Politposse um ihn.

     

    Übrigens sind Wadenblessuren bei Fußballern keinesfalls "Simulantenverletzungen", sondern aufgrund der ausgeprägter Muskulatur überaus schmerzhaft.

  • K
    kvwupp

    Honi soit, qui mal y pense!

  • F
    Francescoli

    "Darf man von einem in Deutschland sozialisierten 22-jährigen Burschen verlangen, sich von einem Hass predigenden Politiker zu distanzieren und für Völkerverständigung einzutreten?"

     

    Natürlich darf man das nicht erwarten! Erstens hat Ashkan Dejagah in erster Linie Verantwortung für sich und seine im Iran lebenden Verwandten. Zweitens fehlt ihm Unterstützung durch den DFB und die Bundesregierung, wobei es gerade der DFB ist, der seinen Sportlern jegliche politische Äußerung untersagt. Drittens ist ohnehin zu fragen, ob sich DFB und Bundesregierung überhaupt ein solches Bekenntnis zur "Völkerverständigung" wünschen würden. Ich denke, nein. Oder sehen Sie entsprechende Zeichen, Herr Völker?

     

    Darüber hinaus wissen wir nichts über den gesundheitlichen Zustand der Wade. Sollte da eine Beeinträchtigung vorliegen, ist es wirklich besser, dass Ashkan Dejagah auf das Spiel verzichtet. Kleiner Einschub, da wir hier im Sport-Bereich diskutieren: Seit dem EM-Finale wissen wir, dass es nichts bringt, wenn ein Spieler trotz Wadenprobleme aufläuft. ;-)

     

    Mir gefällt der Kommentar von Markus Völker insofern nicht, dass er die israelisch-iranische Problematik allein auf den Spieler Ashkan Dejagah fokussiert und dabei die Kontextbedingungen ignoriert: die desaströse bundesdeutsche Außenpolitik. Sport ist nie unpolitisch. Ohne politische Unterstützung hat Ashkan Dejagah keine Wahl. Alle sollten deshalb erleichtert sein, dass ihn die Wade zwickt.

  • C
    Christopher

    Ich versteh diese ganze Diskussion nicht.

    Und wenn der liebe Opa gestorben ist, das kann jedem auf der Welt wohl piepsegal sein.

    Wenn Ashkan Dejagah nicht kann will oder sollte ist das die Angelegenheit von ihm und seines Trainers.

    Politisiert wird doch vor allem durch die Medien

  • R
    roozbeh

    Also bitte. Wie kann man von dem Mann erwarten seine Familie in Gefahr zu bringen für ein Fussballspiel?

    Jeder kennt doch die Regierung in Iran. Kein Mensch in seiner Situation würde so eine Dummheit begehen , es sei denn er hätte keine Familie in Iran.

    Ich glaube nicht , dass er sich für das Thema "Israel" überhaupt interessiert.

    Kein Iraner will , dass seine Familie mit der Regierung Ärger bekommt. Das ist nicht wirklich lustig.

  • A
    Arki

    Warum ist Herr Dejagah ein Deutschiraner? Ist er nich viel mehr ein iranischer Deutscher?

  • SP
    Scarlett Pimpernell

    "Wadenverhärtung" also??? Jeder der auch nur halbwegs rudimentäre Medizinkenntnisse besitzt, weiß was eine solche Diagnose in Wirklichkeit auch bedeuten kann. "Wadenverhärtung" liegt dann gerne vor, wenn der Arzt eine eindeutige Verletzung nicht wirklich diagnostizieren kann. Um auf Nummer sicher zu gehen bekommt der Patient dann in der Regel ein Wadenwickel und Salbe und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für ein paar Tage. So hat "Patient Simulant" seinen Sonderurlaub und der Arzt, der objektiv nichts feststellen (aber eben auch nicht ausschließen) konnte, ist mit der Attestierung des "Sonderurlaubes" auch auf der sicheren Seite - falls im Nachhinein doch mal was passieren sollte. Tja, da scheint uns Dejagah und DFB mal wieder ordentlich verarschen zu wollen. Wadenverhärtung? Das ich nicht lache...

  • A
    anke

    Ein vielsagender Text, Herr Völker. Ich habe ihn mit Interesse gelesen. Eines aber müssen Sie mir bitte erklären: Wieso steck Ihrer Meinung nach ausgerechnet Ashkan Dejagah in einem Dilemma (griechisch δί-λημμα: „zweigliedrige Annahme“)? Weiß nicht Ashkan Dejagah als einziger an der Trauerposse Beteiligter, was genau seiner Wade fehlt? Ich meine: Der Mann hat ja offenbar ein Attest...