Deutscher in US-Haft: Verhängnisvoller Spaziergang
Ein Deutscher gerät von Mexiko aus versehentlich auf US-Territorium und wird festgenommen. Seither sitzt er unter schweren Bedingungen in El Paso ein.
MEXIKO-STADT taz Ein kleiner Ausflug ins Grenzgebiet am Rande der nordmexikanischen Stadt Ciudad Juárez ist einem Deutschen zum Verhängnis geworden: Am 27. März ging der 46-jährige Berliner Tourist Karl Tisken offenbar allein im ausgetrockneten Flussbett des Río Bravo spazieren und wurde dort von US-Beamten mit gezogener Waffe festgenommen. Begründung: Er habe illegal die Grenze in die USA überschritten. In der Mitte des Río Bravo verläuft die Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten.
Seit jenem Tag sitzt Tisken in US-amerikanischer Abschiebehaft. Heute nun könnte ein Richter darüber entscheiden, ob er abgeschoben wird oder weiter in Haft bleiben muss.
"Er hat nicht gewusst, dass die Grenze im Fluss verläuft, denn der Grenzzaun liegt nördlich des Río Bravo", erklärte Tiskens Lebensgefährtin Dagmar Seybold der taz. Die junge Frau arbeitet im Rahmen eines deutsch-mexikanischen Austauschprogramms in Mexiko-Stadt. Sie war mit ihrem Partner nach Ciudad Juárez gereist, um Freunde zu besuchen und Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen aufzunehmen.
Nachdem Tisken von seinem Spaziergang nicht zurückkehrte, ging sie zur mexikanischen Polizei. Diese leitete eine Großfahndung ein, örtliche Radio- und Fernsehstationen meldeten den Deutschen als verschwunden. Erst am nächsten Tag stellte sich heraus, dass Tisken in der texanischen Nachbarstadt El Paso in Haft saß.
Zweimal in der Woche kann Seybold nun ihren Partner besuchen, 15 Minuten lang, mit Glastrennscheibe im Gemeinschaftsraum. Die Haftbedingungen seien verheerend, berichtet sie. Zunächst musste sich Tisken mit 70 bis 80 Menschen eine Zelle teilen, in der sich ohne Abtrennung auch Dusche und Toilette befanden; inzwischen wurde er offenbar in eine Zelle mit 40 Mithäftlingen verlegt. Jede Nacht gebe es Durchsuchungen, und die Gefangenenkleidung sei so dünn, dass er immer friere, klagte die Lebensgefährtin. Ein Arztbesuch wegen heftigen Hustens wurde ihm verweigert. "Es geht ihm sehr schlecht, manchmal will er einfach aufgeben, weil er sich total rechtlos fühlt," sagte Seybold.
Auch die Kommunikation mit der Justiz sei schwierig. Jeder Versuch, mit der zuständigen Justizbeamtin zu sprechen, sei bislang gescheitert, und einen Anwaltstermin gebe es frühestens im Mai, erklärte Tiskens Lebensgefährtin. "Wir wissen nicht einmal, was ihm genau vorgeworfen wird, ob es sich um einen Zivil- oder Strafprozess handelt." Im günstigsten Falle könnte Tisken nach Mexiko ausgewiesen werden, für das er ein gültiges Touristenvisum besitzt. Sollte der Richter jedoch eine Abschiebung nach Deutschland anordnen, müsste der 46-Jährige mit hohen Kosten rechnen, die sich auf bis zu 8.000 US-Dollar belaufen könnte. Falls er nicht ausgewiesen wird, muss Tisken möglicherweise noch monatelang in Haft bleiben: Die Behörden in der Grenzregion sind angesichts der vielen aufgegriffenen lateinamerikanischen Migranten überbeschäftigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!