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Deutscher Turnerbund hat FinanzsorgenDer Turnbau zu Frankfurt

Ein ambitioniertes Hotelprojekt bringt den Deutschen Turnerbund in finanzielle Nöte. Nun sollen die skeptischen Landesverbände mit frischem Geld helfen.

Der DTB muss sparen: Im Olympischen Spitzensport fehlen 130.000 Euro. Bild: dpa

Die Turner halten zusammen – schon immer. „Solidarität“ ist ein Schlüsselwort von Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turnerbunds (DTB), gern auch mit Verweis auf die Jahn’sche Turnbewegung. Doch einig war man zuletzt nicht. Der Neubau der Bundeszentrale in Frankfurt, dessen Gesamtkosten sich laut einem internen Bericht auf knapp 38,9 Millionen Euro belaufen, brachte 2012 ein Liquiditätsproblem mit sich. Die Landesverbände wurden aufgerufen, sich zu beteiligen. Zusagen über knapp 2 Millionen kamen zusammen. Aber auch Turnersolidarität ist nicht unbegrenzt strapazierfähig.

Präsident Brechtken wehrt sich vehement gegen den Begriff der „Finanzkrise“ und sieht „keinerlei Versäumnisse“ seitens der Verbandsspitze. Doch sein Vize Heinz-Joachim Güllüg, der sich um die Finanzen kümmerte, trat vor zwei Wochen zurück. Am vergangenen Wochenende wurde kommissarisch Alfred Metzger als Nachfolger bestimmt. Brechtken und Güllüg hatten seit 2008 Kreditaufnahmen im Wert von über 30 Millionen Euro unterzeichnet.

Im Frankfurter Stadtwald steht nun ein „Gymakademie“ getauftes fünfstöckiges Hotel, dazu ein Bürohaus, in dem auch die DTB-Geschäftsstelle sitzt, und ein Parkhaus. Letzteres kaufte der Deutsche Fußball-Bund den Turnern ab, als Investor für den Teilerwerb der Gymakademie sprang der DFB wieder ab.

Alles hatte harmlos begonnen: 2006 wurde ein Neubauprojekt für die marode Turnschule vorgestellt. Kosten: 12,99 Millionen Euro. 2008 bewilligte der Hauptausschuss 24 Millionen, so der Bericht eines Mitglieds des Finanz- und Verwaltungsrates. Aus der „Übernachtungseinrichtung“ war ein großes Hotelprojekt geworden. Seitdem bröckelt die Solidarität.

Zusätzliche Kosten

Es kam noch schlimmer: Der Generalplaner meldete drei Monate nach Baubeginn Konkurs an. Die zusätzlichen Kosten belaufen sich nun – laut einem internen Bericht – auf 14,9 Millionen Euro, 1 Million davon wegen des „frühen Wintereinbruchs Mitte Dezember 2009“. Brechtken sprach erst von „6 bis 7 Millionen Mehrkosten“.

Auf Nachfrage bestätigte er bereits Ende November die 14,9 Millionen und verlangte, man müsse die Zahlen „sauber interpretieren“. Das würden die Landesverbände auch gern. Sie haben dem DTB nun einen detaillierten Fragenkatalog vorgelegt, der bislang nicht vollständig beantwortet wurde.

Am Samstag appellierte Präsident Brechtken bei einem Treffen an die Solidarität und die Geschlossenheit der Turner, um Detailfragen ging es angeblich nicht. Der neue Schatzmeister ließ wissen, er sei überzeugt, „dass die bisher beschlossenen Maßnahmen […] die Konsolidierung sicherstellen“. Daran kommen Zweifel auf, weil etwa der Rheinische Turnerbund, dessen Zahlung von 400.000 Euro bis Ende der Woche noch ausstand, am 24. Januar unter anderem „eine aktualisierte Prüfung des Gesamtkonzeptes“ anmahnte.

Fakt ist: Der DTB wird künftig sparen müssen. Jährlich fallen laut Brechtken rund 2 Millionen Euro an Zins und Tilgung an. Mindestens 800.000 Euro davon muss der DTB aus Eigenmitteln aufbringen. „Das ist nicht angenehm“, sagte Brechtken am Freitag. Treffen wird es alle Verbandsbereiche: Insgesamt sollen in der Geschäftsstelle vier Stellen wegfallen. Auch werden Mitarbeiter „intern umgesetzt“.

Neues Konzept

Im Olympischen Spitzensport fehlen 130.000 Euro. Brechtken betont, dass die komplette Streichung der Förderung für die Nachwuchs-Turnzentren bereits vor Jahren beschlossen wurde. In den neuen Bundesländern seien mehrere querfinanzierte Trainerstellen in Gefahr.

Nach Intervention der betroffenen Verbände sagte Brechtken zu, bis Ende März ein neues Konzept vorzulegen. Den Landesverbänden werden keinerlei Kosten für Gremiensitzungen mehr erstattet, zudem müssen fast alle Veranstaltungen und Lehrgänge in der neuen Gymakademie stattfinden. Irgendwie muss das Geld ja reinkommen. Finanzieller Erfolgsdruck lastet auch auf dem Deutschen Turnfest im Mai. Nicht zuletzt der Verein Deutsche Turnfeste hatte dem DTB 2012 mit einer halben Million unter die Arme gegriffen.

Zuletzt sprang mit Lotto auch noch ein Premiumpartner des DTB als Sponsor ab. Ob es nur Pech war, ob es an Kompetenzen in der Führungsriege mangelt oder ob das ganze Unternehmen eine Nummer zu groß ist für den ehrenamtlich geführten Verband, bleibt umstritten.

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