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Deutscher Giftmüll und deutsche Briefwechsel

■ Greenpeace fand 230 Tonnen deutschen Giftmüll in der Ukraine / Die Schieber sind den Behörden bekannt, gestoppt werden sie nicht / Durchsuchung im März

Berlin (taz) – Deutsche Firmen haben im Januar rund 230 Tonnen Giftmüll nach Rowno in die Ukraine verschoben. Alexei Kabyka von Greenpeace bestätigte gestern der taz, daß das Gift zwischen dem 15. und dem 21. Januar mit Lastern in die Ukraine geschafft worden sei. Es handelt sich nach Greenpeace-Angaben um rostige, stinkende Fässer mit flüssigem Quecksilber, schwermetallhaltigen Altfarben, abgelaufenen Pestiziden, Holzschutzmitteln, reinem DDT, Unterbodenschutz, zyanidhaltiger Blausäure, Laborchemikalien und Pharmaka in Glasbehältern und Pappschachteln. „Quecksilber steht immer unter Dampfdruck. Wer davon einatmet, dem fallen erst die Zähne aus, dann die Haare, dann wird das Nervensystem angegriffen, und der Betreffende wird verrückt“, warnte Greenpeace.

Der größte Teil des Giftes sei inzwischen auf dem Gelände einer Kaserne untergebracht, in der früher auch Chemiewaffen gelagert hätten, sagte Kabyka. „Das Gift ist nicht nur gefährlich für die Gesundheit, es ist lebensgefährlich“, so der Umweltschützer. Ein besonders giftiger Teil der Chemieabfälle werde inzwischen vom ukrainischen Geheimdienst – einem Nachfolger des KGB – notdürftig bewacht, ein weiterer Teil lagere aber noch auf dem Betriebshof der Transportfirma UKRTRANS. Empfänger des offiziell als „Industriewaren zur weiteren Verwendung“ deklarierten Gifts war die Firma Prodolje in Rowno.

Greenpeace warf den deutschen Behörden gestern vor, die Giftschieberei verschlafen zu haben. „Die beteiligten Firmen Rimex, Hannelore Siebrands und Wimpex waren den Behörden mindestens seit August 1992 bekannt“, schimpft Greenpeacer Andreas Bernsdorff. Damals war ein Giftlaster der Firmen an der deutsch-polnischen Grenze beschlagnahmt worden. Meldungen hätten über das Zollkriminalamt alle wichtigen Stellen erreichen müssen. Zumindest müsse das Gift jetzt von deutschen Behörden zurückgeholt werden.

In der Tat gab es seit dem vergangenen Herbst einen regen Schriftverkehr zwischen Ministerien und Behörden über die Firmengruppe. Das Bundesumweltministerium informierte die Behörden in Sachsen-Anhalt und das Bundeskriminalamt. Das Umweltministerium in Magdeburg gab im November 1992 auch dem Landeskriminalamt Bescheid. Nur gefruchtet hat das alles nicht.

Denn obwohl die Firmen schon im August 1992 ins Fadenkreuz der Ermittler gekommen sein müssen, hat man die Transporte des Giftmülls aus Dresden, Wolfen, Ladeburg bei Magdeburg und Hannover nach Rowno nicht verhindert.

Und obwohl das Landeskriminalamt in Magdeburg im März im niedersächsischen Meppen und an sechs Stellen in Sachsen-Anhalt Firmengebäude durchsuchte, Akten und sogar 112.500 Mark Bargeld beschlagnahmte, arbeiten die Firmen auch heute noch weiter.

Das Geld sei konfisziert worden, „weil der Verdacht auf umweltgefährdende Abfallbeseitigung und auf das Betreiben einer umweltgefährdenden Anlage bestand“, so der Chef des Landeskriminalamtes, Volker Limburg.

Limburg ist zuversichtlich, daß man den Firmen jetzt endlich auf die Pelle rücken kann. „Der Handel mit DDT ist strafbar, da gibt es sogar ein spezielles Gesetz dafür.“ Im Magdeburger Innenministerium wiegelte man dagegen auch gestern noch ab: „Sie können ja nicht per se eine Firma zumachen.“ Und der Sprecher des Umweltministeriums Johannes Altinciogiu ließ sogar verbreiten, daß es sich bei dem Quecksilber und DDT „nach ersten Erkenntnissen“ seines Ministeriums „nicht um Abfälle, sondern um Chemikalien, die als Wirtschaftsgut gehandelt werden können“, handele. Kein Handlungsbedarf also.

Auch in der Ukraine ist das Firmenkonsortium um Rimex, Simex und Hannelore Siebrands länger bekannt. „Die sind schon häufiger als Müllhändler hier aufgetreten“, sagt Greenpeacer Kabyka. Vor der Beschlagnahme des Lasters in Frankfurt/Oder im August 1992 sei eben jener Giftmülltransport der Firma Rimex mit 78 Fässern abgelaufener Korrosionsschutzmittel an mehreren Stellen in der Ukraine abgewiesen worden. „Aber unsere Behörden haben weiter nichts unternommen, bis jetzt der Geheimdienst einstieg. Die versuchen jetzt über Interpol aus Deutschland mehr Informationen zu bekommen.“ Hermann-Josef Tenhagen

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