: Deutsche entführt
AUS SULEIMANIA INGA ROGG
Fast genau zwei Monate nach der Entführung von Susanne Osthoff sind im Irak zwei deutsche Ingenieure verschleppt worden. Ein dritter Deutscher und ein Iraker konnten nach Angaben ihres Unternehmens entkommen. Die Ingenieure arbeiteten als Monteure im Ölsektor in Baidschi. Unklarheit bestand zunächst darüber, ob mit den Deutschen auch zwei Iraker in die Hände der Geiselnehmer fielen.
Offenbar geriet der Wagen mit den Deutschen in einen gut geplanten Hinterhalt. Mindestens sechs Bewaffnete in zwei Zivilautos hätten dem Wagen mit den Deutschen am Dienstagmorgen in der Nähe der Ölanlagen aufgelauert, sagte Kadhim Abbas von der örtlichen Polizei. Ein Sprecher des Unternehmens in Baidschi sagte, die Männer seien von einer irakischen Kaserne, in der sie übernachtet hätten, unterwegs zur Arbeit gewesen. Die Bewaffneten trugen demnach Uniformen der irakischen Nationalgarde. Sie hätten den Deutschen die Hände gefesselt, sie in den Kofferraum geworfen und seien mit ihnen davongefahren, sagte der Firmensprecher. Einem dritten Deutschen sei zusammen mit dem irakischen Fahrer die Flucht gelungen, weil ihn die Geiselnehmer ebenfalls für einen Araber hielten.
Laut dem Ölministerium wurden gemeinsam mit den Deutschen auch zwei irakische Begleiter verschleppt. Unklar war zunächst auch die Identität der Deutschen. Der stellvertretende Provinzgouverneur von Salahaddin gab ihre Namen mit Thomas Wischke und Rabita Dirata an. Nach Medienberichten stammen die Entführten aus Bennewitz bei Leipzig und arbeiten für den Anlagenbauer Cyrotec. Die Deutschen sind nach Angaben der irakischen Polizei erst vor wenigen Tagen im Irak eingetroffen. Scheinbar wollten sie sich nur kurz im Irak aufhalten.
In Berlin wurde ein Krisenstab eingerichtet. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte auf die Frage, ob eine Lösegeldzahlung im Fall Osthoff die neue Entführung befördert habe: „Nicht die Lösegeldzahlung, sondern die Berichterstattung darüber.“
Die Verschleppung der Deutschen wirft erneut ein Schlaglicht auf das hohe Entführungsrisiko für Ausländer, aber auch für Einheimische im Irak. Seit dem Ende der Diktatur wurden mindestens 300 Ausländer und tausende von Irakern Opfern von Kidnappern. Nachdem die mittlerweile weitgehend professionell organisierten Geiselnahmen zumindest von Ausländern zurückgingen, ist seit November ein erneuter Anstieg zu verzeichnen. Weiterhin ungewiss ist das Schicksal der amerikanischen Journalistin Jill Carroll, die am 7. Januar im Westen von Bagdad verschleppt wurde. Obwohl sich mittlerweile auch Politiker mit guten Beziehungen ins Lager der Untergrundkämpfer für die Freilassung der Journalistin ausgesprochen haben, fehlt von ihr weiterhin jede Spur. Das gilt auch für die westlichen Friedensaktivisten, die etwa zeitgleich mit Susanne Osthoff verschleppt wurden, sowie mehrere Botschaftsmitarbeiter aus arabischen Ländern und die kenianischen Techniker eines irakischen Handynetz-Betreibers.
Da nach der Freilassung von Osthoff sich auch im Irak herumgesprochen hat, dass Deutschland entgegen offiziellen Erklärungen offenbar Lösegeld gezahlt hat, locken Deutsche erst recht Entführer an. Deutsche Unternehmen und Hilfsorganisationen sind außerhalb des kurdischen Norden kaum noch im Irak tätig. Kurdistan hat sich indes zu einem Magnet für deutsche Firmen entwickelt. Unternehmen wie Siemens oder Züblin sind im Telekommunikations- beziehungsweise Bausektor tätig. Viele schicken ihre Mitarbeiter aber nur kurzfristig nach Kurdistan oder wickeln ihre Aufträge über aus- wie inländische Subunternehmen ab. Darüber hinaus sind es Mittelstandsunternehmen, die sich um Aufträge im Nordirak bemühen.