Deutsche Wohnen Enteignen: Verlierer könnten auch die Banken sein
Bei einer Anhörung im Ausschuss zeigt sich: Die Debatte über die Vergesellschaftung nimmt Fahrt auf, wird aber trotzdem weiter verschleppt.
Eine Anhörung zum Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. Enteignen (DWE) im Stadtentwicklungsausschuss endete am Montag wie nahezu alle Debatten zu dem Thema seit vielen Jahren. Dem abschließenden Antrag der Linken, der Senat solle schnellstmöglich ein Vergesellschaftungsgesetz vorlegen, stimmten Linke und Grüne zu, SPD, CDU und AfD votierten dagegen.
Dem vorausgegangen war eine Anhörung mit vier eingeladenen Expert:innen, die durchaus widersprüchliches zeigte: Zwar verharren die politischen Lager auf ihren Positionen, oft mit altbekannten Argumentationen, gleichwohl dreht sich die Debatte weiter. Dafür sorgt in erster Linie der kürzlich vorgelegte Gesetzentwurf der Initiative, der eine neue Basis für die Auseinandersetzung bietet, aber auch neue Vorwürfe der Vergesellschaftungsgegner provoziert.
Zunächst wies Armin Rothemann von DWE darauf hin, dass die Initiative in mühsamer Arbeit das getan habe, „was eigentlich der Senat hätte tun müssen“: ein Gesetzt erarbeitet. „Unser Entwurf ist auf dem allerneusten Stand der Wissenschaft, rechtlich tragfähig und sauber“, so Rothemann; Berlin könne damit „sofort mit der Vergesellschaftung starten“. 220.000 Wohnungen sollen somit aus den Beständen der großen privaten Vermieter in eine Anstalt öffentliches Rechts überführt werden. Die Entschädigungssumme in Höhe von 8 bis 17 Milliarden Euro solle über 100-jährige Schuldverschreibungen aus den Mieteinnahmen finanziert werden.
Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft verwies darauf, dass eine Entschädigung, die etwa bei 40 Prozent der Marktwerte liegen soll, mitunter die Fremdkapitalquote der Konzerne unterschreitet. So sollen Vonovias Bestände, in den Büchern mit 22 Milliarden Euro gelistet, nur mit 7 Milliarden entschädigt werden; bei 11 Milliarden Bankschulden.
Der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker sagte dazu auf Nachfrage der taz: „Verlierer von Vergesellschaftungen könnten am Ende nicht nur Konzerne, sondern auch die Banken sein.“ Ein Argument dagegen sei dies nicht. Die Banken hätten „Vonovias spekulatives Geschäftsmodell“ mit immer weiteren Krediten finanziert und seien damit dieses „Risiko“ eingegangen.
Attrappen statt Debatten
Etwas heikler wird es für die Initiative aber beim Vorwurf, mit zu niedrigen Instandhaltungs- und Sanierungskosten zu kalkulieren, die teilweise deutlich unter den bislang veranschlagten Kosten der Konzerne lägen, wie Voigtländer ausführte. Zudem warnte er vor einem „Vertrauensverlust der Märkte“, also steigenden Zinsen für Berlin, wenn tatsächlich vergesellschaftet wird.
Doch statt sich mit diesen Fragen zu beschäftigten, blockiert der Senat weiterhin, „stellt Attrappen auf“, wie es die Grünen-Mietenexpertin Kartin Schmidberger im Gespräch mit der taz kritisierte. Festgehalten wird etwa an einem Rahmengesetz, das niemand braucht oder will, außer Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD), der aber feststellen musste: „Es wundert mich, dass es von allen Seiten als völlig absurd dargestellt wird.“ Schmidberger wies zudem auf die Verschwendung von 100.000 Euro für ein neuerliches Rechtsgutachten, beauftragt von der Senatsfinanzverwaltung, hin.
Dieses hatte die Vergesellschaftung aufgrund eines fehlendes Passus in der Landesverfassung als rechtlich unzulässig bewertete. Isabel Feichtner, die sowohl der vom Senat eingesetzten Expertenkommission angehörte als auch am Gesetz von DWE mitgearbeitet hatte, widersprach: Wenn der Grundgesetzartikel 15, der die Vergesellschaftung regelt, „als Freiheitsrecht“ begriffen wird, „darf die Berliner Verfassung dem nicht entgegenstehen“. Die Expertenkommission sei einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass das Land die Befugnis habe, „ein Vergesellschaftungsgesetz zu erlassen“, so Feichtner.
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