Deutsche Wirtschaft trotzt der Krise: Rezession in der Eurozone
Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands wächst leicht. In vielen anderen Euro-Ländern sieht es nicht so gut aus – die Wirtschaftsleistung sinkt weiter.
LUXEMBURG/WIESBADEN dapd/dpa | Die Wirtschaftsleistung in der Eurozone ist im zweiten Quartal geschrumpft. Nach einer Stagnation in den ersten drei Monaten 2012 sackte das Bruttoinlandsprodukt (Bip) in den 17 Ländern mit der Gemeinschaftswährung um 0,2 Prozent ab. Das teilte die europäische Statistikbehörde Eurostat am Dienstag in Luxemburg in einer ersten Schätzung mit.
Damit steckt die Eurozone in einer Rezession, da die Wirtschaftsleistung zwei Quartale nacheinander gesunken ist. Auch im Schlussquartal 2011 hatte es mit 0,3 Prozent bereits ein Minus im Vergleich zu den drei Monaten davor gegeben - den ersten Rückschlag seit 2009. In der Europäischen Union als Ganzes mit ihren 27 Mitgliedsstaaten sank das Bip von April bis Juni ebenfalls um 0,2 Prozent.
Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft, verzeichnete ein Wachstum von 0,3 Prozent. Frankreich stagnierte wie schon im Vorquartal. Im Krisenland Spanien nahm die Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent ab, Italiens Bip verschlechterte sich sogar um 0,7 Prozent.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist der wichtigste Gradmesser für die Leistung einer Volkswirtschaft. Es enthält den Wert aller erwirtschafteten Güter und Dienstleistungen, die innerhalb der Landesgrenzen erwirtschaftet wurden. Darin enthalten sind alle Bereiche: Handwerksbetriebe, Handel, Banken, Industrie, Landwirtschaft und den Leistungen des Staates. Größte Komponente ist der private Konsum. Weitere wichtige Bestandteile sind die Investitionen von Firmen, der Außenbeitrag als Differenz von Exporten und Importen und die Ausgaben des Staates. (dpa)
Damit hat die Krise endgültig den Kern der Gemeinschaftswährung erreicht. Doch Deutschland und Frankreich schlugen sich immer noch besser als von Experten befürchtet. Die französische Zentralbank hatte einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent prognostiziert. Die stagnierende Wirtschaftsleistung schürt Ängste vor dem Abrutschen des Landes in eine Rezession.
Nach Angaben der nationalen Statistikbehörde Insee war es für Frankreich nun das dritte Quartal in Folge ohne Wirtschaftswachstum. Von April bis Juni sei zudem der Konsum zurückgegangen, während die Importe schneller gewachsen seien als die Exporte.
Exporte stärker als Importe gestiegen
Anders in Deutschland: Hierzulande sind die Exporte nach vorläufigen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes etwas stärker gestiegen als die Importe. Nicht zu leugnen ist aber, dass das Wirtschaftswachstum sich verlangsamte. Von Januar bis März dieses Jahres war das deutsche Bip gegenüber dem Schlussquartal 2011 noch um 0,5 Prozent gestiegen.
Eine solche Abschwächung des Wachstums war nach den Worten des Wirtschaftswissenschaftlers Max Otte erwartbar. „Es wäre ein Wunder, wenn wir da so ganz unbeschadet durchsegeln würden“, sagte er im ARD-Morgenmagazin bereits vor Vorlage der Bip-Zahlen. Deutschland habe eine gute Grundsubstanz, aber wenn sich die Weltwirtschaft verschlechtere, leide auch Deutschland.
Für dieses Jahr rechnen Ökonomen aber noch mit einer brummenden Exportkonjunktur. So sollen die deutschen Ausfuhren in diesem Jahr die Einfuhren so stark übertreffen wie in keinem anderen Land, hatte das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo in einer am Montag veröffentlichten Studie errechnet. Demnach steigt der bundesdeutsche Handelsüberschuss auf 210 Milliarden Dollar (170 Milliarden Euro) - und überflügelt damit sowohl China und Japan als auch die ölexportierenden Länder.
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