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Deutsche Bahn verklagt Start-UpMitfahrgelegenheit oder Linienverkehr?

Fahrziel Köln? Über DeinBus.de können sich Gruppen zusammenschließen und einen Bus mieten. Die Deutsche Bahn geht gerichtlich dagegen vor.

Wann fahren die Busse und wann stehen sie? Darum dreht sich der Streit um Dein.Bus.de. Bild: dpa

Die drei Studenten Christian Janisch, Ingo Mayr-Knoch und Alexander Kuhr hatten im März 2009 eine einfache Geschäftsidee: Auf ihrer Internetseite DeinBus.de können Reisende ihre gewünschten Routen online und für andere Interessenten sichtbar einstellen. Finden sich dann zehn oder mehr Reisende, wird ein Reisebus zur Verfügung gestellt. Eine Fahrt von Frankfurt nach Köln könnte so um die zehn Euro kosten. Diese Strecke ist bei den Kunden besonders beliebt.

Eigene Busse hat das Unternehmen allerdings nicht. Die Reisebusse werden bei Busunternehmen samt Fahrer gemietet. So soll außerdem sichergestellt werden, dass es sich um erfahrene Busführer handelt. Doch kurz nachdem die ersten Busse rollten, meldete sich die Deutsche Bahn in Form einer schriftlichen Abmahnung zu Wort. Sie ist der Meinung, das Unternehmen biete keine Mitfahrgelegenheit, sondern einen Linienverkehr an. So schnell wollten die Studenten ihr junges Unternehmen aber nicht aufgeben. Die Bahn zog Ende 2010 vor Gericht und klagt auf Unterlassung.

Das Angebot der Yourbus GmbH wurde vor der Unternehmensgründung ordnungsgemäß durch das zuständige Landratsamt überprüft. Das Amt erteilte den Unternehmensgründern eine Genehmigung für Gelegenheitsverkehr. Buslinienverkehr ist in Deutschland durch das Personenbeförderungsgesetz aus dem Jahr 1934 verboten. Die Bahn soll so vor Wettbewerbern geschützt werden. Per Definition muss Linienverkehr regelmäßige Verkehrsverbindungen zwischen einem bestimmten Ausgangs- und Endpunkt voraussetzen, wobei es Fahrpläne mit definierten Abfahrts- und Ankunftszeiten gibt.

Ein Linienverkehrsbus fährt, auch wenn keine Fahrgäste an den Haltestellen stehen. Das ist bei der Yourbus GmbH nicht der Fall. "Bei uns bestimmen die Kunden individuelle Fahrpläne", sagt Mitgründer Christian Janisch. Auch ist keine Regelmäßigkeit garantiert, denn melden sich für einen Bus nicht ausreichend Gäste an, findet die Fahrt nicht statt.

Bahn: "unlauteres Geschäftsmodell statt Mitfahrgelegenheit"

Die Deutsche Bahn sieht das anders: "Unseres Erachtens ist die sogenannte Mitfahrgelegenheit von DeinBus.de in Wirklichkeit ein Linienverkehr, für den eine Konzession zum Buslinienfernverkehr beantragt werden muss", sagt Norbert Giersdorff, stellvertretender Sprecher der Bahn für Personenverkehr. "Für ein kleines studentisches Start-Up-Unternehmen wie DeinBus gelten die gleichen gesetzlichen Rahmenbedingungen wie für alle übrigen Busunternehmen auch - egal, ob Mittelstand oder ein großer Konzern wie die DB. Deshalb gehen wir hier im Interesse aller Marktteilnehmer gegen ein unlauteres Geschäftsmodell vor."

Eine Regulierung des Fernverkehrsmarkts diene nicht dem Schutz des Unternehmens der Deutsche Bahn, sondern dem Schutz aller Bus- und Bahnunternehmen im Nah- und Fernverkehr. "Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, können wir aber nicht detaillierter darauf eingehen", so Giersdorff. In der ersten Verhandlung vor dem Landesgericht Frankfurt Mitte November ging es darum, ob die erteilte Genehmigung der Yourbus GmbH für deren Tätigkeit ausreicht.

2012 sollen in Deutschland Fernbuslinien zugelassen werden

Grotesk ist, dass die Gesetze, die die Grundlage für diese Verhandlung bilden, Anfang 2012 abgeschafft werden. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat die Zulassung von Fernbuslinien in Deutschland angekündigt. Spätestens dann würde es keinen Klärungsbedarf mehr geben. Eine Urteilsverkündung wurde für Ende Januar angesetzt, nun aber bis auf weiteres verschoben, da noch Schriftsätze der Bahn eingereicht werden müssen. "Normalerweise mag man Verspätungen ja nicht, wenn man es mit der Bahn zu tun hat", sagt Christian Janisch. "Doch diesmal nützt uns jede spätere Ankunft des Urteilsspruchs. Bis dann dürfen unsere Busse nämlich auf jeden Fall weiterfahren. Und das sogar fast immer pünktlich."

Ansonsten entlockt man den Jungunternehmern aber keine schlechten Äußerungen über die Deutsche Bahn. "Wir wollen – und vor allem können – die Bahn nicht abschaffen", sagt Janisch. Die drei Studenten haben selbst Bahncards und häufiger mit dem Zug unterwegs. Sie sehen ihr Angebot als eine Ergänzung zu bestehenden Verkehrsmitteln. Auch wenn sich die Bahn von der neuen Möglichkeit des Reisens eventuell bedroht fühlt, sagen die Zahlen anderes: Zur Zeit transportiert die Yourbus GmbH monatlich ein paar hundert Fahrgäste in deutsche Städte – hauptsächlich Studenten. Bei der Bahn sind es währenddessen jährlich 123 Millionen Fahrgäste.

Busfahrten dann wohl preisgünstiger als Bahn

Dennoch: "Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, wenn sich auch Menschen mit weniger Geld wieder Verkehrsmittel leisten können", sagt Firmengründer Janisch. Viele Menschen müssten häufig große Strecken zurücklegen. Freunde, Familie und der Arbeitsplatz liegen nicht selten in unterschiedlichen Städten. Da sei es nur fair, dass das Reisen auch günstig möglich ist. Auch für Senioren könnte das Reisen mit dem Bus von Vorteil sein, so der Firmengründer. Die Umsteigezeiten der Bahn sind häufig – schon ohne eventuelle Verspätungen – sehr knapp bemessen. Für ältere Menschen mit Gepäck könnte das schnell in Stress ausarten. Bei Busreisen gibt es kein Umsteigen und ein Sitzplatz ist garantiert.

Ein Gutes hat die Klage gegen die Jungunternehmer: Aufmerksamkeit. Medien interessieren sich für die drei Studenten und ihre Firma. Auf der Facebook-Seite von DeinBus.de drücken fast 10.000 Fans die Daumen und unterstützen die Gründer mit Glückwünschen. Doch neben all dem Beistand wird hier auch schon von einigen Usern für zukünftige Fahrten geworben. Zum Festival samt Zelt und Schlafsack? Zum Auswärtsspiel der Lieblingsmannschaft?

Noch ist es offen, ob diese Busse im Sommer starten werden. Wie es nach einer Niederlage vor Gericht mit den drei Studenten weitergehen wird, wissen sie noch nicht. Aber Christian Janisch ist zuversichtlich. Denn es gibt eventuell noch "die ein oder andere Idee", mit der sie weitermachen könnten."Wir sind gekommen, um zu bleiben."

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13 Kommentare

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  • K
    KalteMilch

    @kavin: Wissen wir denn das es genauso ist?

    Vielleicht gibt es dann einen pauschalbeitrag von Dein Bus.de für 10personen? Was sich mit höheren Busauslastungen wieder aufhebt... die Busunternehmer währen ja schön blöd...

     

    Oder?

     

    @Neuigkeitswert: Ich glaube viele Artikelleser lesen das zum ersten mal so wie ich... und ich finde es bei einem solchen thema gerade wichtig das es nicht untergeht und irgendwann wieder verschwindet und Menschen die vielleicht nicht so viel lesen und TV-Gucken wie sie was davon mitbekommen!

     

    Es ist zwar eine höhere CO2 belastung als wenn man mit der Bahn fahren würde aber gegen die vorzugehen finde ich absolut legitim und wichtiger... Atomstrom Saftladen...

  • K
    Kawin

    Hmmmm .. alle bisher genannten Argumente kann ich voll und ganz unterstützen. Die Bahn sollte damit nicht durchkommen.

     

    Aber eins geht mir nicht aus dem Kopf : Nur als Beispiel : Frankfurt/Köln mit 10 Personen für 10 Euro ? Das wären dann 100 Euro für den Bus auf einer Strecke von ca 150 km (?). Wenn der Busunternehmer Glück hat, findet er auch noch eine Tour zurück. Aber sonst sind das 300 km.

     

    Wenn 100 Euro diese Kilometerzahl und auch noch den Lohn des Fahrers zahlen sollen, dann scheint es mir auch hier nicht ohne unglaubliches Preis- und Lohndumping abzugehen.

     

    Macht das die Welt wirklich besser ?

  • P
    Philip

    Natürlich handelt "das" deutsche Staatsverkehrsunternehmen gesetzeskonform.

     

    Fraglich wie es- wie bereits kommentiert- um ein Reichsgesetz von 1934 steht, welches das quasi-Monopol der DB im Rahmen des Fernlinienbusbverkehrs stützt.

     

    So besitzt die DB maßgeblich Anteile an Autokraft, Berlinienbus, 9-Euro-Linie, um nur einige Positionen im Fernlinienbusmarkt zu nennen. Kurios, Streckenbedienungen finden von Autokraft/Berlinienbus mehrmals am Tag von Berlin(!) nach Hamburg(!)statt. Nur ein kleiner Hinweis: KEIN anderes Fernlinienbusunternehmen darf von Berlin (!) aus starten. Denn auch hier wird die DB aus den Zeiten des kalten Krieges aufgrund Gesetz bevorteilt.

     

    Erlaubt sei noch die Feststellung: Die DB bedient folglich Strecken u. a. Berlin- Hamburg mit der sie in direkter Konkurrenz zu ihrem Kerngeschäft "Personenbeförderung auf der Schiene" vermeintlich in Konkurrenz steht. Ein Schelm der da böses denkt!

     

    Denn empirisch lässt sich belegen. Fernlinienbusnutzer würden zu diesen Fahrpreisen kaum die Bahn nutzen.

     

    Lässt sich meiner Meinung einzig folgern: "in-sich-geschlossener-Staatsmonopolismus". Bin richtig gespannt wie es sich entwickelt.

     

    Ich wünsche den Streitern von "Yourbus" viel Erfolg!!!

  • GM
    Gosig Mus

    Die Bahn soll lieber zusehen, dass ein Bahnticket von Frankfurt nach Köln auch für 10 EUR zu haben ist. Und nicht für 42 EUR (IC) bzw 64 EUR (ICE).

  • N
    Neuigkeitswert?

    Das ist doch alles kalter Kaffee. Warum dieser "neue" Artikel, der im Grunde keine neuen Informationen enthält - außer das der Verkehrsminister dieses Gesetz abschaffen will? DAS wäre der Aufhänger gewesen. Über die Studenten-Initiative hat man doch schon gelesen und da gab's auch schon einige Berichte im Fernsehen. Also wirklich, taz. Konzentriert euch auf den Neuigkeitswert und nicht auf Verschwörungstheorien!

  • S
    Stefan

    Wie in dem Artikel ja erwähnt, fällt dieses Gesetz ja zum Beginn des Jahres 2012, also in 10,5 Monaten.

     

    Wird doch wohl kein großes Problem sein, den Rechtsweg bis dahin noch offen zu halten. Kann mir nicht vorstellen, dass so schnell schon alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind...

     

    Ansonsten denke ich auch, dass die DB sich hier ein Eigentor schießt: ich kannte das Unternehmen z.B. noch nicht - werde mich gleich näher informieren :-))

     

    Den jungen Unternehmern kann ich nur raten, das möglichst an die große Glocke zu hängen. Interessiert doch sicherlich auch die große Öffentlichkeit - David gegen Goliath hat eine geradezu biblisch lange Tradition und die Sympathie der Menschen.

     

    vg, stefan

  • L
    Lisbeth

    Die große Bahn hat ja wohl mächtig Angst vor einem kleinen Konkurrenten. Für mich ist das richtig lächerlich. Die Bahn sollte sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, Streckennetze, ausreichend Züge und Personal. Erst mal den eigenen Laden aufräumen, anstatt mit Energie auf andere zu schießen!!!

    Wenn die Bahn ihr eigenes Angebot verbessern würde, was Versorgung mit Verbindungen und vernünftige Preise angeht, müßte sie nicht auf andere schielen und bräuchte keine Angst vor Konkurrenz zu haben. Außerdem ist das Mobilitätsbedürfnis der Menschen so groß, daß von den Kuchen alle genug abbekommen.

  • W
    Walter

    Danke für den Artikel, nächster Halt:

    deinbus.de,

    war lang nicht mehr bei Klaus in Berlin :).

  • TD
    taz, dein Einsatz!

    Ein Gesetz aus dem Jahre 1934 - also demnach ein Nazi-Gesetz - erlaubt es, einem monopolistisch agierenden Großkonzern mit korrupten Tendenzen, der zudem noch durch und durch mit der hohen Politik verbandelt ist, über ein kleines Start-Up herzufallen und es vermutlich in den Ruin zu treiben.

     

    Ich finde die Angelegenheit so derart skandalös, dass mir die Worte fehlen.

     

    Hier ist die taz gefragt, finde ich. Recherchiert, hinterfragt kritisch und macht ordentlichen Wirbel! Das ist Eure Kernkompetenz und hier könnt Ihr zeigen, was Ihr draufhabt.

  • M
    Martin

    Redbranch: "Jetzt ist die Politik gefragt:

    Ein solches Gesetz passt weder in die Zeit noch wird es den allgemeinen Anforderungen an hierzulande gängige Marktprinzipien gerecht.

    Ersatzlos streichen!"

     

    Das steht doch im Artikel. Ab 2012 ist Schluss. Bis dahin - und das steht leider nicht im Artikel - baut die Bahn ihren Buslinienverkehr aus um quasi eine zweite Monopolstellung zu haben, wenn das Gesetz fällt. Und das ist die eigentliche Sauerei.

  • K
    kotelette

    Im Sinne der Gesetzeslage agiert die Bahn AG vollkommen nachvollziehbar.

     

    Im Sinne von Wettbewerb im Nah- und Fernverkehr (Schiene oder Straße) finde ich diesen ganzen Vorgang höchste fragwürdig. Fallende Preise sind so nie zu erwarten, wenn die Monopolstellung der Bahn AG gewahrt wird und schon Inlandsflüge teilweise billiger sind als Bahnfahren für Gegelegenheitsfahrer (ohne Bahncard).

     

    Wie skurril diese Situation anmutet.

  • R
    Redbranch

    Es ist unglaublich!

    Da kommen ein paar junge Menschen mit einer vernünftigen und innovativen Geschäftsidee daher und werden aufgrund von Steinzeitgesetzen ausgebremst.

     

    Es ist natürlich verständlich, dass gerade die Bahn mit ihrer Top-Quote hinsichtlich unprofessioneller Peinlichkeiten existentielle Ängste vor jeglicher Art von Konkurrenz hat.

     

    Aber gerade um wieder zu einem professionlleren Selbstverständnis zu gelangen, dürfte Konkurrenz unerläßlich sein.

     

    Ich finde es skandalös, dass die Bahn sich immer noch auf Gesetze von vor dem zweiten Weltkrieg berufen kann - und vor Gericht mit großer Wahrscheinlichkeit damit durchkommen wird.

     

    Jetzt ist die Politik gefragt:

    Ein solches Gesetz passt weder in die Zeit noch wird es den allgemeinen Anforderungen an hierzulande gängige Marktprinzipien gerecht.

    Ersatzlos streichen!

     

    Und stattdessen bitte ein neues Modell für einen funktions- und leistungsfähigen öffentlichen Fernverkehr entwickeln.

  • S
    Schorsch

    Für mich ist das kein Linienverkehr sondern Charter! Das unselige Gesetz aus dem Jahr 1934, wo noch der Reichsadler auf dem Gesetzesblatt prangt, wurde doch nur beschlossen, um den Monopolisten Reichsbahn zu schützen. Wer räumt endlich mit den Gesetzen aus der Kaiserzeit und dem tausendjährigen Reich auf?