■ Deutsch-russisches Memorandum zur Plutonium-Affäre: Kaschierte Verstimmung
Bernd Schmidbauer ist wieder da. Kohls Mann fürs Zwielichtige, der vor seiner Moskaureise keine Gelegenheit ausgelassen hat, die ansonsten pfleglich behandelten deutsch-russischen Beziehungen auf einen Tiefpunkt zu schwadronieren, ist aus den Gesprächen mit dem russischen Geheimdienstchef Stepaschin als formvollendeter Diplomat hervorgegangen. Von den Vorwürfen und Untertönen Richtung Moskau, mit denen sich der Geheimdienstkoordinator noch vor Wochenfrist profilierte, ist nichts geblieben. Statt dessen wedelt der Atom-Unterhändler mit einem gemeinsamen Memorandum all die Bedenken hinweg, die zu schüren er sich in den vorausgegangenen Tagen zur Aufgabe gemacht hatte. Kein Wunder: Durch die Behandlung des Themas hat Schmidbauer seine Moskaureise zur nationalen Sicherheitsmission stilisiert. Ein „Erfolg“ war Pflicht. Doch weil in der prekären Frage, wie sich der Schmuggel mit radioaktivem Material aus russischen Anlagen künftig verhindern läßt, keine schnellen Erfolge zu haben sind, muß jetzt das flugs formulierte Bündel deutsch-russischer Absichtserklärungen als Beweis für Schmidbauers Durchschlagskraft herhalten.
Natürlich läßt sich aus dem Papier Nettes zitieren. In Aussicht gestellt werden die intensive Kooperation bei der Verhinderung illegalen Handels mit Nuklearmaterial, Vorschläge bei der Koordinierung der Ermittlungen, gegenseitige Unterrichtung über das operative Vorgehen in geeigneten Einzelfällen, verstärkte Grenzkontrollen... Doch der Nachweis, daß Schmidbauer in Moskau mehr erreichen konnte, als mit acht Seiten beschriebenem Papier die jüngsten Verstimmungen zu kaschieren, steht aus.
Irritierend immerhin, daß die Herkunft des in München beschlagnahmten Bombenstoffes plötzlich nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. In diesem Punkt jedenfalls haben die russischen Vertreter bei den „angespannten Erörterungen“ (ITAR-TASS) ihren exponierten Verhandlungspartner wohl derart in die Schranken gewiesen, daß der jetzt selbst nicht mehr weiß, warum er sich bislang für die Quelle des Stoffes so eindringlich interessiert hatte. Dabei hätte sich die Ernsthaftigkeit der in Moskau vereinbarten Kooperation gerade am konkreten Fall des in München sichergestellten Materials unter Beweis stellen lassen. Doch die Herkunft des Stoffes bleibt so umstritten wie vor Schmidbauers Ost-Mission, und die Tonlage, in der die russischen Vertreter das Verschwinden spaltbaren Materials aus ihren Beständen für undenkbar erklären, dürfte all jene ernüchtern, die die baldige Durchsetzung internationaler Kontrollen für unabdingbar halten. Matthias Geis
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