Deutsch-US-amerikanische Freundschaft: Wie Marlon Brando in voller Blüte
Ein lebendiges 50er-Jahre-Abziehbild wirbt für das Deutsch-Amerikanische Volksfest. Eine austauschbare Show?
![](https://taz.de/picture/203318/14/volksfestwerbungsfrauen.jpeg)
Es ist eines dieser herrlich verschrobenen Bilder, die Berlin bisweilen produziert. Ein schräges Geschenk an einem verregneten Sommertag: Vor dem Brandenburger Tor steht ein Mercury, Baujahr 1951, in dezentem Giftgrün. Auf dem US-Riesenauto räkeln sich drei Frauen in Matrosenkleidchen und Stretchjeans, die Lippen rot, die blonden Haare zu Pferdeschwänzen gebunden. Sie lächeln ein schockgefrostetes Lächeln, ein junger Mann verteilt derweil Eiscreme an die Passanten, die neugierig stehen bleiben. „Eis in amerikanischen Geschmacksrichtungen“, beteuert er. „Greifen Sie zu!“
Mit dieser kleinen Inszenierung werben die Veranstalter des Deutsch-Amerikanischen Volksfestes für ihren Jahrmarkt, der ab dem 27. Juli zum mittlerweile 52. Mal stattfindet – inzwischen am Hauptbahnhof in Mitte. Doch was auf dem Pariser Platz abgefeiert wird, ist ein längst verblichenes Kaugummi-Amerika der 1950er, irgendwo zwischen Truman und Eisenhower, als Marlon Brando in voller Blüte stand, Surfen zum Volkssport wurde und der American Way of Life vermutlich ganz vielversprechend klang.
Aber was soll das alles einem heute noch sagen? „Dieses Amerika, das existiert weiterhin!“, ruft René Pirczalik aus, als müsse er auch alle umherstehenden Touristen überzeugen, die sich in ihren Regenjacken verstecken. Und: „Die Ami-Feier wird geil!“ Er glaubt das wirklich.
Denn Pirczalik, Jeansjacke, Cowboy-Hut, koordiniert das Bühnenprogramm für das Volksfest. Dafür fliegt er einmal im Jahr nach New York, um Bands zu casten. „Ich bin eigentlich Clown von Beruf“, sagt er. Ein Clown mit ausgeprägter Amerika-Passion.
Auch für die Russen
Vor der Wende trat der 62-Jährige als Jongleur in Clubs wie dem Sky Rider am Tempelhofer Flughafen auf. Dort verbrachten die in Berlin stationierten US-Soldaten gerne ihre Abende. „Für die Russen habe ich aber auch gearbeitet, als die Mauer noch nicht stand“, sagt Pirczalik, „Handstände, Kopfstände, Saltos.“ Drei Tage vor dem Mauerbau fand das erste Deutsch-Amerikanische Volksfest statt. Pirczalik, damals 11 Jahre alt, erinnert sich, wie ein US-Soldat ihn an die Hand nahm und mit ihm im Zeichen der Völkerfreundschaft über den Rummel schlenderte.
Eine Gruppe sächsischer Touristen holt ihn jäh in die Gegenwart zurück: Ihre transatlantischen Ambitionen sind eher gering. Nachdem sie ausgiebig die Models und den Mercury fotografiert haben, zeigen sie aufgeregt auf zwei als Grenzsoldaten verkleideten Männer, die ebenfalls auf dem Platz stehen und Fahnen schwenken. „Die Russen da drüben wollen auch ihren Fototermin haben“, stellen die Sachsen fest. Sie lassen Pirczalik, Amerika und die 1950er im Regen stehen. Wie in einem Museum ziehen sie weiter zum nächsten Exponat.
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