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Deutsch-Chinesischer MediendialogDeutsche Journalisten zu kritisch

Der erste deutsch-chinesische Mediendialog kam über das Austauschen von Vorwürfen kaum hinaus. Die chinesischen Gastgeber empfingen ihre deutschen Kollegen offensiv misstrauisch.

Berichtet meist kritisch über China: Die deutsche Presse. Bild: dpa

Deutsche Journalisten berichten meist negativ über China, chinesische Journalisten dagegen meist positiv über Deutschland. Dies war der Tenor von Journalisten und Medienwissenschaftlern aus dem Reich der Mitte beim ersten deutsch-chinesischen Mediendialog. Deutsche Reporter warnten hingegen davor, Berichte über negative Ereignisse als negative Berichterstattung zu werten. Das hieße, Überbringer von Nachrichten für deren Inhalt verantwortlich zu machen. Auch könnten sich solche Berichte positiv auswirken. Deutsche Journalisten wunderten sich dagegen, warum Chinas Medien statt über soziale Probleme in der Bundesrepublik lieber über Klischees wie Autos, Bier und Fußball berichten.

Die Proteste von Chinesen gegen die China-Berichterstattung des Spiegels, gegen deutsche Berichte über die Tibet-Unruhen im Frühjahr sowie die Kontroverse um das chinesische Programm der Deutschen Welle verliehen dem zweitägigen Dialog in der südchinesischen Metropole Guangzhou (Kanton) große Aktualität. Entsprechend kontrovers ging es zu. Mehrfach wurde deutschen Medien eine "antichinesische Allianz" vorgeworfen. Diese sei spätestens mit dem Empfang des Dalai Lama durch die Bundeskanzlerin vor einem Jahr deutlich geworden.

Die Deutschen betonten dagegen die Unabhängigkeit ihrer Berichterstattung. Auch würden sie über die USA oder die Bundesregierung ähnlich kritisch berichten. "Dass es heute mehr Kritik an China gibt als früher, ist ein Zeichen für seine gewachsene Bedeutung", meinte Matthias Nass, stellvertretender Zeit-Chefredakteur. "Wer an der Spitze steht, muss mit mehr Kritik rechnen."

Den deutschen Medien wurde vorgehalten, sensationslüstern über China zu berichten und die Volksrepublik zum Sündenbock der Globalisierung zu machen. Letzteres wurde zum Teil eingeräumt. So stellte Tagesspiegel-Redakteur Harald Schumann fest, viele Medien übernähmen zu unkritisch westliche Regierungspositionen, etwa, dass Klimaschutz nichts bringe, solange China nicht verbindlich dabei sei. Das sei eine bequeme Ausrede und leugne die große Verantwortung des Westens, so Schumann. Doch umgekehrt kritisierte er, dass Chinesen nicht hinterfragten, dass ihre Regierung einem Entwicklungsmodell folge, dass nicht globalisierbar sei und auch für China in die ökologische Katastrophe führe. Chinesische wie deutsche Journalisten vernachlässigten den globalen Blick, so Schumann.

Bei der Umweltberichterstattung, dem Hauptthema des vom Institut für Auslandsbeziehungen (IFA) im Auftrag des Auswärtigen Amtes organisierten Dialogs, redeten die 40 Teilnehmer besonders oft aneinander vorbei. Die Deutschen betonten, wie wichtig investigative Recherche sei und dass sie auch ohne Wissen der Behörden erfolgen müsse. Die chinesischen Redner betonten hingegen die Notwendigkeit der Kooperation mit Behörden. Laut Cao Xin von Chinas investigativstem Wochenblatt Nanfang Zhoumo sei die Absprache mit dem recht fortschrittlichen Umweltministerium in Peking nötig, um Blockaden lokaler Behörden überwinden zu können. Die Deutschen sahen sich in ihrer Haltung zum investigativen Journalismus nicht verstanden, die Chinesen dagegen eigene Erfahrungen missachtet, die solche Bündnisse nahelegten.

Auf chinesischer Seite waren nur wenige Journalisten vertreten. Dagegen waren viele Medienwissenschaftler staatstragender Institutionen gekommen. Als zum Schluss die anfänglichen Vorwürfe über eine antichinesische Agenda deutscher Medien unverändert wiederholt wurden, zeigte sich die Größe des Misstrauens. Für chinesische Journalisten, die Vorgaben von ihrer Regierung bekommen, ist es schwer vorstellbar, dass der von ihnen empfundene Tenor deutscher Berichte nicht auf Vorgaben der Bundesregierung zurückgeht. Der daraus resultierende Vorwurf der Medienlenkung, -beinflussung und Zensur blieb jedoch unausgesprochen.

Die beteiligten Chinesen erweckten den Eindruck, als dominiere die zurzeit sehr negativ empfundene deutsche Chinaberichterstattung das Deutschlandbild chinesischer Medien jenseits von Autos, Bier und Fußball. Bis deutsche Vorschläge zu gemeinsamen Recherchen realisierbar sind, dürften noch etliche Dialoge nötig sein.

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1 Kommentar

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  • HS
    Holger Schustar

    Eigenlob stinkt

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    'Deutsche Journalisten zu kritisch' – ja, so würden wir uns wohl selber gerne sehen.

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    Wenn wir hören, dass chinesische Journalisten erst Rückendeckung beim Umweltminister suchen, bevor sie Provinzbehörden kritisieren, so mag uns das wie ein amüsantes 'Bock zum Gärtner machen' erscheinen.

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    Was wir dabei leicht vergessen, ist die Tatsache, dass auch unsere westliche Art des Kritisierens immer von einem Glauben ausgeht, einem Glauben, dessen wir uns in der Regel nicht bewusst sind, obwohl der Glaube den Inhalt unserer Kritik entscheidend mitbestimmt.

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    Tatsächlich bilden wir uns gerne ein, frei von Glaubens-'Vorurteilen' zu sein. Das ist aber ein Irrtum. Glauben gibt es auch bei uns. Nur ist es bei uns kein Kirchen- oder Staats-Glaube mehr, sondern der Glaube der öffentlichen Meinung.

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    Welch starken Einfluss dieser Glaube auf uns hat, zeigt sich dort, wo in der öffentlichen Meinung ein Irrglaube entstanden ist wie in diesem Frühjahr, wo sich der Irrglaube verbreitete, das Verbrennen chinesischer Verkäuferinnen durch Tibeter sei ein Beweis nicht für tibetische, sondern für chinesische Verbrechen.

    --.

    Seitdem führen sich fast alle deutschen Medien wie eine Propagandaabteilung des tibetischen Kriegsministeriums auf. Nur wenige Ausnahmen wie Telepolis haben sich dem Glauben entziehen können, Tibeter seien von Natur aus friedfertig und die Bösen müssten immer die Chinesen sein.

    --.

    Die eigene Kritik auf bestimmte Glaubensvorgaben zu stützen, wie chinesische Journalisten das anscheinend befürworten, könnte für Realitätssinn sprechen.

    --.

    Das chinesische Modell, dass der Zentralstaat den Rahmen vorgibt, für wirtschaftliche Entwicklung wie Unternehmerfreiheit, für Kritik-Themen wie Umwelt, für Zukunfts-Ziele wie Harmonie in der Gesellschaft ist also durchaus diskussionswürdig, sollte sich jedoch nicht der Erkenntnis verschließen, dass auch zentralstaatlicher Glaube konstruktiver Kritik bedarf.

    --.

    Umgekehrt sollen wir uns der Erkenntnis nicht verschließen, dass auch bei uns der Glaube eine große Rolle spielt und wir uns bemühen müssen, unseren Glauben nicht unausgesprochen zu lassen, sondern ihn in Worte zu fassen und der Selbstkritik zu unterziehen.

    --.

    So gesehen hätte die Überschrift vielleicht besser lauten sollen: 'Deutschen Journalisten fehlt es an Selbstkritik.'