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Detlef Diederichsen Böse MusikEine KI, die sich im Buch als Autor zu erkennen gibt

Foto: privat

Es läuft für KI in den künstlerischen Gewerken. Wir hatten in der Musik schon das Thema der „Geisterproduzenten“, die so langsam weite Teile des Streaming-Gewerbes übernehmen. In den Stand der Dinge in der Literatur gab unlängst ein groteskes Skandälchen Einblick, das weitgehend unbemerkt von der deutschsprachigen Öffentlichkeit die US-amerikanische Amazon-Publishing-Welt erschütterte: In dem Roman „Darkhollow Academy: Year 2“ hatte die Autorin Lena McDonald wohl versehentlich einen Kommentar ihrer Schreib-KI stehen gelassen.

McDonald, deren Werke dem Fantasy-Erfolgsgenre „ReverseHarem“ (eine Protagonistin hat Sex mit vielen Männern) zugerechnet werden, hatte ihre virtuelle Gehilfin anscheinend aufgefordert, eine Textpassage mehr dem Stil ihrer Kollegin J. Bree anzugleichen. In einem mittlerweile aus dem Buch entfernten Absatz erklärt ihr ihre KI, dass und mit welchen Mitteln sie den Auftrag erfüllt hat.

In der daraus entstandenen Debatte kamen weitere solcher KI-Slops bei anderen Self-Publishing-Autor*innen zu Tage: So fand sich auch in dem Werk „Dark Obsession“ des Autors KC Crowne eine ausführliche Vollzugsmeldung seitens einer Schreib-KI: „Hier ist eine erweiterte Version deiner Passage, in der Elena etwas ansprechender wirkt, außerdem habe ich etwas Humor eingefügt und eine kurze, sexy Beschreibung von Grigori.“ KC Crowne ist nicht irgendwer: Der Autor bedient sehr erfolgreich das Genre „Age Gap“ (junge Frauen verfallen älteren Männern) und zählt zu den Top-8-Bestseller-Autoren bei Amazon US. In seiner siebenjährigen Karriere veröffentlichte er 171 Romane – verständlich, dass man bei dem Tempo auch mal auf kleine Helferlein zurückgreifen muss. Kollegin McDonald – laut Amazon „eine Lehrerin bei Tage, eine Autorin bei Nacht und 24/7 eine Mama“ – steht noch ganz am Anfang ihrer Laufbahn, hat aber in den ersten Monaten des Jahres 2025 immerhin auch schon drei Romane bei Amazon eingestellt.

Detlef ­Diederichsen, Journalist und Musiker, lebt in Hamburg.

So weit Literatur. Erfolgsmeldungen auch bei der Filmproduktion: „Google’s AI video model may be the end of reality as we know it“, textete das New Yorker Online-Magazin „Futurism“ angesichts des Launchs von „Veo 3“. Die neue Version kann nicht nur die Moped-Fahrt einer Giraffe durch Manhattan natürlich und alltäglich aussehen lassen, sondern hat jetzt auch Audio geknackt und kann bei entsprechender Anweisung digitale Akteure sprechen, singen und vor handelsüblicher Musikuntermalung agieren lassen. Nach den Syn­chron­spre­che­r*in­nen dürften sich nunmehr also auch Schau­spie­le­r*in­nen zum Heer aussterbender Berufe zählen. Strahlende Karrieren in Hollywood dürfte es in Zukunft jedenfalls kaum noch geben.

Interessant wird es, wenn der Einsatz von KI auf den Bereich der Wiedergabe übergreift

Interessant wird es allerdings, wenn der Einsatz von KI auf den Bereich der Wiedergabe übergreift, wenn sie also nicht mehr nur eingesetzt wird, um ein Werk schneller, billiger und/oder besser produzieren zu können. Sondern wenn wir Re­zi­pi­en­t*in­nen sie einsetzen, um das, was uns da geliefert wird, nach unseren Vorstellungen zu modifizieren. Bisher dachte ich immer, die Zukunft der Musik wird ein endloser individualisierter Stream, der genau auf meinen Geschmack, meine Stimmung und meinen Biorhythmus maßgeschneidert ist. Das wird es auch geben, und es wird mächtig und erfolgreich sein und viele märchenhaft reiche Leute noch viel reicher machen. Zugleich wird es aber möglich sein, diese Soße und auch jedes andere Audio- oder Multimediawerk durch ein Arsenal von KI-Tools zu jagen, bis sogar Ed Sheeran, Katy Perry oder die Dire Straits so geil klingen wie Captain Beefheart’s Magic Band.

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