: Des Staates Sehnsucht nach Terror
■ In der Aktuellen Stunde des Bundestags über den Umgang mit dem Deutschen Herbst und der Amnestiefordrung ging es hoch her / Innenministerium ist über das Angebot des Verfassungsschutzes an aussteigewillige RAF–Mitglieder unterrichtet
Bonn (ap/taz/dpa) - Das Verhältnis der Grünen zum bewaffneten Kampf und deren Kritik am staatlichen Gewaltmonopol war am Mittwoch im Bundestag Gegenstand einer emotionsgeladenen Aktuellen Stunde. Im Mittelpunkt der Debatte stand die Bemerkung von Bundesvorstandssprecherin Jutta Ditfuth, der Staat brauche „fast nichts so sehnsüchtig wie den Terror“, die von Sprechern der Koalition wie der SPD als unglaubliche Entgleisung und Beweis für das gespaltene Verhältnis von Grünen zum Rechtsstaatsprinzip gewertet wurde. Der Aufforderung der anderen Parteien, sich von der Äußerung ihrer Vorstandssprecherin zu distanzieren, kamen die Grünen nur indirekt nach. So räumte die Abgeordnete Christa Nickels ein, auch in ihrer Partei gebe es „Torheiten und Dummheiten“. Die Parlamentarierin Antje Vollmer verstand sich lediglich zu der persönlichen Erklärung, sie halte den Satz, der Staat brauche den Terror, für falsch. Der Abgeordnete Michael Weiss erinnerte an das Vorgehen der Polizei in Wackersdorf und forderte Union, FDP und SPD auf, sich hiervon zu distanzieren. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Carl–Dieter Spranger, hielt Frau Ditfurth ein gestörtes Rechtsbewußtsein, ausgeprägten Realitätsverlust und schwerwiegende Sachunkenntnis vor. Die von den Grünen initiierte Amnestie–Diskussion halte er für verfehlt, weil damit vorgetäuscht werde, bei der Rote Armee Fraktion und anderen Terrorgruppen sei ein Prozeß der Besinnung in Gang gekommen. Weiter meinte Spranger, der Staat habe mit dem § 129a und der neuzuschaffenden Kronzeugenregelung ausreichend Angebote an aussteigewillige Terroristen. Er ging in seinem kurzen Beitrag nicht direkt auf die Initiative des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ausgestiegenen RAF–Mitgliedern ohne Gegenleistung zu einer legalen Existenz zu verhelfen, ein. Allerdings hatte am Vormittag der Sprecher des Bundesinnenministeriums Butz mit dem Hinweis, es sei gesetzliche Aufgabe des Verfassungsschutzes, allen Informationen aus der terroristischen Szene nachzugehen, auf den Bericht der taz reagiert, wonach das Kölner Verfassungsschutzamt Kontakt zu aussteigewilligen Mitgliedern der Roten Armee Fraktion suche. Der Sprecher des Innenministeriums sagte, Ziel sei es, künftige Anschläge und Morde zu verhindern. Dazu gehöre auch die Beobachtung des gesamten Spektrums der Terrorszene. Siehe auch Tagesthema Seite 3 Kommentar auf Seite 4
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