: Des Ladens letzter Schluß
■ Heuchelei ohne Grenzen in SPD, Senat und GAL
London! Amsterdam! New York gar! Viele SPD-Abgeordnete, fast der gesamte SPD-Senat und die Mehrheit der GAL schwärmen nach ihren Urlaubs- und Dienstreisen intern von den Möglichkeiten, als normal arbeitender Mensch in normalen Geschäften in normaler Freizeit einkaufen zu können. Doch fast alle behalten das verschämt für sich.
„SPD-Front gegen neuen Ladenschluß“ titelten vor wenigen Tagen die Zeitungen, denn die sozialdemokratische Mehrheit im Bundesrat will die vom Bundestag beschlossene Liberalisierung des Ladenschlußgesetzes kippen. Begründung: Unsozial, bösartig und gemein. Eine Zumutung für die Angestellten. Am Freitag muß auch Hamburg im Bundesrat mitstimmen – und wird sich enthalten. Da die Statt Partei für selbstbestimmte Öffnungszeiten steht und die SPD offiziell dagegen ist, sieht der Kooperationsvertrag Stimmenthaltung vor.
Tatsächlich sind Hamburgs Sozialdemokraten froh, sich dank des kleinen Regierungspartners um eine Diskussion zum Thema Ladenschluß – und um eine Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften – herumdrücken zu können. Und verschnarchen damit gleichzeitig Mitgestaltungsmöglichkeiten und Meinungsführerschaft.
Im Senat ist nur – und naturgemäß – die Senatorin für Arbeit, Soziales und Gesundheit, Helgrit Fischer-Menzel, für die Beibehaltung des Ladenschlußgesetzes. Bürgermeister Henning Voscherau favorisiert bei der Liberalisierung der Öffnungszeiten das „belgische Modell“. Danach dürfen nur die kleinen Geschäfte geöffnet bleiben und sich so ökonomische Vorteile im Wettbewerb mit Ladenketten und Einkaufszentren verschaffen.
Die SPD-Vertreter der Bürgerschaft sind fest in der Hand der gewerkschaftlichen Funktionäre und deren offizieller Positionen. Nur wenige trauen sich, den bei der Gewerkschaft beschäftigten Genossen und Fraktionsfreunden, wie etwa dem Hamburger DGB-Chef und SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Erhard Pumm, öffentlich Widerworte zu geben.
Die GAL ist nicht weniger geübt in Heuchelei: Die ganze Fraktion steht wie ein Mann und eine Frau hinter ihrem arbeitspolitischen Sprecher Andreas Bachmann. Und der ist aktives Mitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Wenig verwunderlich deshalb, daß die Parteien links von der Statt Partei wenig Gestaltungswillen zeigen und nicht nur in Sachen Ladenschluß eine Politik für ArbeitsplatzbesitzerInnen mit Arbeitsmarktpolitik verwechseln. Silke Mertins
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