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Archiv-Artikel

Des Fußballs Zufall

Ausgerechnet Wolfsburg unterbricht die überglücklichen Flitterwochen zwischen Hannover 96 und Peter Neururer. Der glückliche 2:1 Erfolg für den VfL bedeutet die erste Niederlage für Hannover nach elf Spielen. Das nordische Kellerkind Wolfsburg hofft, das Glück tatsächlich erarbeitet zu haben

Mike Hanke ist wirklich ein außergewöhnlich guter Kopfballspieler. Es hatte fast schon englisches Niveau, wie er bei seinem Treffer gegen Hannover 96 in der Luft zu stehen schien. Es war nicht die einzige Szene, in der er sich in der Luft gegen den ungleich größeren Nationalmannschaftskollegen Per Mertesacker durchsetzte.

Mit dem Treffer zum 1:0 (9.) und einer starken erste Hälfte hatte Hanke entscheidenden Anteil am seiner Meinung nach „enorm wichtigen“ 2:1 des VfL Wolfsburg über Hannover 96.

Nichtsdestotrotz war es ein Sieg, der mal wieder zeigt, dass die Zufälligkeiten im Fußball nicht restlos zu kontrollieren sind. Wolfsburgs tabellarische Probleme kommen ja daher, dass man im Gegensatz zu früher zu Hause zu selten gewinnt. Warum es ausgerechnet gegen Hannover klappte? „Wir hatten das Spiel doch nach 30 Minuten total im Griff“, sagte Hannovers Trainer Peter Neururer. Da ist was dran, aber das ist VfL-Trainer Klaus Augenthaler allem Anschein nach zunächst mal herzlich egal. „So läuft‘s nun mal im Fußball“, sagte er kühl. Seine Vorgabe an die Spieler lautete, „sich das Quentchen Glück zu erarbeiten“. Heißt im Umkehrschluss: Je glücklicher der Sieg, desto härter hat das Team gearbeitet, also gegen Hannover maximal.

Oder wie ist es rational zu erklären, dass ausgerechnet der argentinische Dribbler Juan Carlos Mensequez das 2:1 erzielte (86.)? Man hat ihn viele Pässe spielen sehen, auch schon allein auf Torhüter zulaufen, aber kaum einmal den Ball ins Tor schießen. Tatsächlich war es Mensequez zweites Tor in 47 Bundesligaspielen. Er nahm einen zur Mitte abgewehrten Ball, und diesmal zögerte er nicht, sondern knallte ihn ins Tor. Allerdings, und das ist das zweite irrationale Moment, tauchte Hannovers Keeper Robert Enke unter dem Ball durch. Ausgerechnet der verlässliche und leistungsstarke Enke. „Unglücklich“, sagte Neururer, „genau in dem Moment, da er unten ist, springt der Ball auf.“

Für Augenthaler und Wolfsburg bringen die drei Punkte gewaltige Entspannung: Der neue Trainer hat mit sieben Punkten aus sechs Spielen, (alle zu Hause geholt), eine herzeigbare Zwischenbilanz und der Abstand zu den Abstiegsrängen beträgt wieder fünf Punkte.

Immerhin gab es in der VW-Arena die vielleicht beste Halbzeit dieser Saison zu sehen, zumindest die beste, seit Augenthaler das Kommando übernommen hat. Nach Hankes Treffer und Brdarics Ausgleich (17.) verstolperten zwar Klimowicz hier, Brdaric dort große Chancen. Der VfL wirkte aber wach, entschlossen, war zweikampf- und vor allem kopfballstark und kombinierte sogar. Nach dem Wechsel , sagte Augenthaler, „sind wir komischerweise ins Strudeln gekommen“. Gar nicht komisch, sondern von Neururer so geplant, wie er im kleinen Kreis gern erklärte. Augentahlers Wechsel (Lamprecht und Thiam kamen) brachten wenig; 96 setzte die Wolfsburger physisch und psychisch mehr und mehr unter Druck und fand mit der Mittelfeldraute, deren Spitze der starke Jiri Stajner hinter den beiden Stürmern stellte, immer wieder den Weg durch die beiden Viererketten des VfL. „Alle Karten sind in unserer Hand“, fand Nationalverteidiger Per Mertesacker, „aber wir treffen das Tor nicht.“ Oder anders gesagt, der starke Simon Jentzsch hielt, was kam.

Neururer zählte einen Raum weiter die Chancen auf. Hashemian zweimal, Dabrowski, nochmal Bradric? „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir einmal soviel hundertprozentige Chancen herausgespielt hätten“, sagte er. Damit nur keiner auf die Idee kommt, mit dem Ende der Serie von elf niederlagenlosen Spielen auch schon den Anfang vom Ende des Honeymoons von Hannover und Neururer zu prophezeien, redete er von der Möglichkeit einer nächsten Serie. Im übrigen, sagt Neururer: „Vom Tabellenbild her ist ja gar nichts passiert.“ Stimmt: Hannover gehört mit sechs Saisonsiegen und 30 Punkten weiter zu jenen abgeschlagenen Mittelmaßteams, die sich hinter den großen Vier um einen Uefa-Cup-Platz bewerben dürfen - die aber auch den Abstieg noch nicht verhindert haben. Gleiches gilt für Wolfsburg (25). „Jetzt müssen wir sehen, dass wir auch mal auswärts punkten“, sagt Mike Hanke, aber der Satz ist seit Jahren ein Ritual.