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■ ScheibengerichtDerek Bailey / John Stevens

Playing (Incus CD 14 / 14 Downs Road, London E5 8DS)

Geht dem Free Jazz die Luft aus? Wenn man sich auf der amerikanischen Szene umschaut, dem Geburtsland und einstigen Herzzentrum der freien Improvisation, könnte man den Eindruck gewinnen. Der Siegeszug der Neotraditionalisten im Jazz hat die Bedingungen für Musiker der Free Music schwieriger werden lassen – weshalb viele das sinkende Schiff verlassen und auch der Nachwuchs ausbleibt. Es kann doch kein Zufall sein, daß der Free Jazz keinen Wynton Marsalis hervorgebracht hat. Da fragt man sich, was aus der radikalen Improvisation werden wird, wenn alte Kräfte wie Cecil Taylor und Bill Dixon (USA), Peter Brötzmann und Peter Kowald (BRD) einmal nicht mehr da sind.

Auch Derek Bailey zählt zu den Charakterköpfen des Free Jazz. Er gilt als Lordsiegelverwahrer der radikalen Improvisation in England und als weltweite Autorität des Genres. Seit fast 30 Jahren spielt Bailey kompromißlos eine Musik, die von den meisten seiner Zeitgenossen nicht als solche bezeichnet würde. Bailey hat nicht nur Melodien, Harmonien und Rhythmen aus seinem Spiel getilgt, sondern bewußt das Klangspektrum seiner Gitarre in Richtung Geräusche erweitert.

Er werkelt in den Saiten herum, schleift übers Metall, läßt Flageoletts aufklingen, spielt schroffe Akkorde dazwischen und flicht spröde Tonkürzel ein; wobei ihm John Stevens, ebenfalls ein erprobter Haudegen des freien Spiels, am Kinderschlagzeug Gesellschaft leistet. Die intensive Interaktion bestimmt das Bild, nicht als Pingpongspiel, sondern als Versuch, Klangfarben ineinander zu verweben. Wer den einlullenden Wohlklang liebt, ist bei den beiden an der falschen Adresse.

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