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Der zeozwei Wochenüberblick #16 Doppelspitze Ade?

Die Fünf-Minuten-Lektüre für Ökos und solche, die das eigentlich nie werden wollten.

So sah Doppelspitze vor 15 Jahren aus. Bald könnte es damit vorbei sein. Bild: AP

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Doppelspitzen-Strategie der Grünen als „Schönwetterveranstaltung” kritisiert. Sie gehe zudem, wenn man sein Interview in der Süddeutschen Zeitung richtig interpretiert, vollkommen an der Realität vorbei, in der Menschen Wahlentscheidungen treffen. Sie orientieren sich an Politikern, die sie zu kennen glauben und denen sie daher vertrauen. Wie es 2009 und 2013 bei Merkel der Fall war, oder bei Olaf Scholz, Maria Luise Dreyer – und bei ihm.

Wenn zwei oder gar vier für eine Partei stehen sollen, wird es kompliziert. Jedenfalls jenseits der Stammkundschaft. Wer ist wer, wer steht wofür, den einen finde ich gut, den anderen aber unsympathisch, hm, wer hat denn nun das Sagen? Dann lieber nicht.

Trotzdem richtig

Wird also schleunigst ernsthaft über den Sinn der Grünen Doppelspitze geredet? Unwahrscheinlich. Aber es war ja auch unwahrscheinlich, dass die Grünen in einem Bundesland die Mehrheits- und Orientierungspartei werden. Nun aber sind sie es in Baden-Württemberg. Und es ist auch innerhalb der Grünen völlig klar, dass sie es mit einer „Doppelspitze” niemals geworden wären. Ihre Reaktion ist grünenklassisch: Trotzdem richtig. Überhaupt geht es um Inhalte, Programme. Nein, das tut es nicht. Politiker transportieren Programme mit, aber Programme transportieren keine vertrauenswürdigen Politiker mit.

Aber die Realität der Gesellschaft darf nicht der Maßstab für die Grünen sein, weil manche fürchten, damit identitätspolitischen und emanzipatorischen Boden preiszugeben. Ob, sagen wir, Katrin Göring-Eckardt eine Politikerin ist, mit der man bei der Bundestagswahl 2017 etwas reißen kann, ist nicht die prioritäre Frage dieser Partei. Sondern Geschlechtergerechtigkeit durch die verbindliche Frauennominierung. Konkret: Von zwei Spitzenkandidaten darf nur einer ein Mann sein. (Auch die darin enthaltene Geschlechterdiskriminierung wird als Fortschritt betrachtet.)

Ein Realo, ein Linker

Die Doppelspitze sei in ihrer ursprünglichen Intention „vernünftig” gewesen, sagt Kretschmann. Faktisch aber bedeute sie auch: Ein Realo, ein Linker. „In der Politik muss man sich für den einen oder anderen Weg entscheiden, das ist doch auch eine Erfahrung aus diesen Landtagswahlen”. Wenn da die Grünen grundsätzlich immer vier unterschiedliche Figuren anböten, nämlich Doppelspitze in Fraktion und Partei, dann sei das „eine Schönwetterveranstaltung”.

Hinter dem progressiven Wunsch nach gelebter Geschlechtergerechtigkeit und der behaupteten Stärke der Pluralität verbirgt sich eine grundsätzliche Schwäche der Bundesgrünen: Sie wollen alles im Offenen halten und sich lieber nicht klar entscheiden. Weil sie dann dazu stehen müssen. 

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