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taz FUTURZWEI

Der taz-FUTURZWEI-Fragebogen Sind Sie Gangster oder Trottel?

Marcus Mittermeier über seine Großmutter, Nutella mit oder ohne Butter und den Charme des „dummen Augusts“.

Mit Beatles und Nutella ohne Butter ist Marcus Mittermeier gut durchs Leben gekommen Foto: Fritz Beck

taz FUTURZWEI | Marcus Mittermeier, Jahrgang 1969, ist Schauspieler (München Mord) und Regisseur.

Was hat Ihr Denken beeinflusst, Marcus Mittermeier?

Das Denken ist ein Prozess. Es gibt keinen Punkt, wo Denken anfängt. Deshalb ist das, was mich immer beeinflusst hat, letztlich die Fähigkeit, interessanten Dingen, Inhalten oder Werken irgendwie sofort folgen zu wollen. Ihnen auf den Grund gehen zu wollen, den Hintergrund kennenlernen zu wollen oder verstehen zu wollen, warum etwas ist, wie es ist.

Wer hat Ihr Denken beeinflusst?

Ganz entscheidend beeinflusst wurde ich von meinen weiblichen Vorfahren. Ich stamme aus einfachen Verhältnissen, und meine Mutter und vor allem meine Großmutter waren im Herzen Sozialdemokraten.

Meine Großmutter, Jahrgang 1900, war eine Frau, die ihrerseits durch die Erfahrung zweier Kriege geprägt wurde, sie hat zwei ihrer Brüder im Ersten Weltkrieg verloren. Meine Mutter und meine Großmutter haben mir die Begriffe Solidarität und Gerechtigkeit nähergebracht. Und letztlich auch das Interesse am Politischen.

Ihre Lieblingsdenkerin, die sonst niemand kennt?

Das war tatsächlich meine Großmutter. Meine Eltern haben immer gearbeitet, und meine Oma war für mich und meine Schwester da. Sie starb, als ich 18 war. Vieles von dem, was sie uns mitgegeben hat, wurde mir erst lang nach ihrem Tode bewusst.

Welche Diskussion ist komplett festgefahren?

Nutella mit oder ohne Butter drunter? Eine einfache Frage, die im Diskurs vollkommen zerredet wurde. Ich persönlich bin da ein Freund klarer Festlegung – ohne natürlich. Mir kann niemand erklären, wie eine Haselnusscreme, die überwiegend aus Fett besteht, durch noch mehr Fett genießbarer wird. Dann: Beatles oder Stones? Völlig verfahrene Diskussion. Auch hier ganz klar: Beatles. Beatles und Nutella ohne Butter, damit bin ich gut durchs Leben gekommen. Aber diese Diskussionen werden nicht mehr geführt, weil wir heute über Dinge streiten wie Wärmepumpen, Verbrennungsmotor oder Tempolimit. Dabei gibt’s doch gerade da jeweils glasklare Argumente. Darüber muss man doch nicht mehr diskutieren.

Die aktuelle taz FUTURZWEI

taz FUTURZWEI N°29: Kann der Westen weg?

Europa und Nordamerika haben viel vorangebracht und einiges verbockt. Nun geht es so nicht mehr weiter. Aber wie dann? Es kann schon morgen oder übermorgen vorbei sein mit dem Westen.

Über den Zerfall einer Weltordnung

U. a. mit Joschka Fischer, Dana Giesecke, Maja Göpel, Jürgen Habermas, Wolf Lotter, Jörg Metelmann, Marcus Mittermeier, Ella Müller, Luisa Neubauer und Harald Welzer. Ab 11. Juni am Kiosk

Zur neuen Ausgabe

Welche drei Menschen der Zeitgeschichte würden sie zu einem Abendessen einladen wollen?

Ricky Gervais, Gerhard Polt und Harald Schmidt. Das wäre sicherlich ein lustiger, aber anstrengender Abend – und wenn die Konzentration nachlässt, kann Harald Schmidt vom Traumschiff erzählen.

Wen finden Sie gut, obwohl Ihre Peergroup ihn oder sie blöd findet?

Lassen wir sein Fehlverhalten im Umgang mit Mitarbeitern mal außen vor, aber ich finde Til Schweiger gut, weil er konsequent ist, in dem was er tut und somit viel erreicht hat. Das imponiert mir.

Welche drei Bücher würden Sie als Deutschlehrer/-in lesen lassen?

Ich habe meine Kindheit in der Schule, auf dem Bolzplatz und vor dem Fernseher verbracht. Fragen Sie bitte nicht mich!

Warum scheuen Linke den Humor?

Das höre ich zum ersten Mal.

Wissen Sie, was Sie hoffen?

Hoffentlich.

Findet Sie das Glück?

Mittlerweile empfinde ich jeden Tag, der ohne schlechte Nachrichten zu Ende geht, als eine glückliche Zeit. Es ist zu früh für eine Bilanz.

Wem wären Sie lieber nie begegnet?

Ich habe alle Begegnungen in meinem Leben bisher gut überstanden. Ich weiß aber nicht, wie es denen geht, die mir begegnet sind.

Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder nein?

Macht ist Verantwortung. Und es gibt nichts, was schwerer ist, als Verantwortung für alle zu übernehmen, für Mehrheiten und Minderheiten. Da gibt es faktisch keine für alle gleich richtigen Entscheidungen. Es gibt aber Entscheidungen, die unter Abwägung aller zur Verfügung stehenden Argumente richtiger sind als andere. Auch, wenn die Mehrheit dagegen ist.

Lernen Sie von einer Liebesbeziehung für die nächste?

Nächste Frage?

Worum geht es im Leben eigentlich?

Das Wort »eigentlich« in der Frage ist schon interessant. Hat unser Leben einen doppelten Boden? Ist das, was hinter dem »eigentlich« steht, unser wirkliches Lebensmotiv? Eines, das wir nicht sehen oder verbergen, damit wir es nicht sehen müssen? Ich weiß es nicht.

Gibt es zu viel des Guten?

Natürlich. Zu viel guter Wein und die Frage ist beantwortet. Spätestens am nächsten Tag.

Wie alt möchten Sie werden?

Solang ich Spaß am Leben habe.

Es gibt nur Gangster oder Trottel. Was sind Sie dann?

Ich liebe die Trottel. Im Zirkus ist der dumme August doch die mit Abstand spannendste Attraktion. Er steht für Chaos und Unordnung. Ihm fliegen die Herzen zu. Er zaubert den Leuten ein Lächeln ins Gesicht. Seine Unordnung, seine Fehler machen die Welt besser, weil sie eine neue Ordnung schaffen. Das finde ich großartig. Lästig, aber großartig, weil im Herzen gut. Wir brauchen mehr von dieser Figur in unserer Welt.