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■ Der standardisierte Fremde ist chancenlosScheiden tut weh!

„Du sollst dich dann aber nicht wundern, wenn die Ehe schiefgeht!“ – „Ich habe dir schon am Anfang gesagt, daß so etwas nicht gutgehen kann!“ – „Was hattest du denn sonst erwartet von so einem Menschen aus ...?!“ – „Kein Wunder, daß ihr euch scheiden laßt!“ Es wird allgemein sehr oft angenommen, daß eine binationale Partnerschaft zum Scheitern verurteilt ist. Was sind hierfür die Gründe?

Es ist Tatsache, daß in vielen Ländern ein gewisses Maß an Fremdenfeindlichkieit zu spüren ist. Die Besonderheit der deutschen Bevölkerung in dieser Sache liegt in ihren geschichtlichen Wurzeln und bekommt dadurch eine enorme Gewichtung.

„Fremdheit“ in Deutschland wird einfach „anders“ wahrgenommen und zweiseitig definiert, nämlich entweder überbewertend positiv oder aber total negativ. Viele hängen fest in ihren Freund-Feind-Bildern. Es sind die Menschen mit der positiven Einstellung, die dazu neigen, mit Fremden Beziehungen einzugehen bis hin zur binationalen Eheschließung, manchmal auch nur demonstrativ, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Da aber hier die Fremdwahrnehmung mit einem positiven Extrem belastet ist, kann es natürlich dazu kommen, daß diese Versuche trotz guten Willens scheitern.

Die geglückten Beispiele sind auf jeden Fall Beweise von einem gewissen Maß an Opferbereitschaft und vor allem auch ein Stück an Selbsterkenntnis.

Es gibt selbstverständlich noch eine Palette anderer Gründe, welche bei einem Mißlingen von Beziehungen weitere gewichtige Rollen spielen: Die Entscheidung, sich den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an- oder nicht anpassen zu wollen, Wertstellung gegenüber Fremden in diesem Land, ab und an religiöse Zusammenhänge, eventuell Probleme des Sprachverständnisses, das kulturell bedingte Verständnis von Nähe/Distanz. All dies trägt dazu bei, ob eine binationale Partnerschaft glückt oder nicht. Natürlich dürfen die rein persönlichen Unterschiede zweier Menschen, egal woher sie kommen, nicht vergessen werden.

Das Zauberhafte und Exotische an einer/m ausländischen Partner/in ist leider oft nicht von langer Dauer. Zuerst fasziniert das Unbekannte, und nur die positiven Seiten werden wahrgenommen. Erst bei Interessenkonflikten wird deutlich, wie verschieden jedeR einzelne ist.

Es wird daher sehr gerne an Klischees festgehalten als einer Art Schutzschild dem Unbekannten gegenüber. Der Unbekannte oder der Fremde ist das, was ich über ihn denke, und nicht das, was er wirklich ist, weil ich mich sonst damit auseinandersetzen müßte. Dies verursacht immense Vorurteile, welche uns die latente Angst vor Fremdheit nehmen und durch Projektionen stabile Distanz zur Andersartigkeit erlauben. Dies gilt sowohl für den in- als auch den ausländischen Teil. Es wird dadurch ein bekanntes Stereotyp produziert, welches Bestätigung sucht. Und wer sucht, der findet auch. Ein Verhaltensmuster als Reaktion manifestiert sich bei jeder kleinen Unstimmigkeit, bei jeder realen Begegnung taucht dieses Bild erneut auf.

Kulturkontakt birgt in sich auch eine Art Kulturkonflikt. Jeder Konflikt ist ein Zeichen für einen Veränderungsprozeß. Veränderung verlangt Anpassung in neue Verhältnisse. Das bringt Unsicherheit und Ängste mit sich. Denn Veränderungen können auch als Verlust erlebt werden, es entsteht ein Spannungsfeld mit unterschiedlichen Interessen und Normen.

Gefühle können vereint oder unterdrückt werden – abgeschaltet werden können sie aber nicht. Spannung ist angesagt, wenn eine Beziehung in Konflikt geraten ist. Kommt nun noch die binationale Komponente hinzu, ist eine Konfliktlösung entsprechend schwieriger.

Die Erfahrungen des Fremden und des Einheimischen suchen Berührungspunkte, aus welchen ein angenehmer Funke oder eine bedrohliche Explosion erfolgen können. Doch wenn Machtgefüge mit im Spiel sind, ist eine Identitätskrise des fremden/ausländischen Teils unvermeidbar. Außere Einflüsse schließen den Kreis, und der Fremde fühlt sich dabei noch fremder, als er ist.

Die eigene Macht des Fremden löst sich auf, der Fremde wird nicht verstanden, sondern verständlich gemacht. Er soll eingeordnet werden, damit er nicht mehr so fremd erscheint und überhaupt wahrnehmbar werden kann. Die Einheimischen wollen nämlich die Macht des Fremden im eigenen Territorium nicht gern akzeptieren. Fremde dürfen dagegen eigene Fremdheit demonstrieren und ihre Differenzierbarkeit darstellen, mehr aber nicht.

Wenn es schon zu diesem Punkt gekommen ist, ist es schwierig, einen Dialog zwischen zwei Fronten zu ermöglichen. Eine notwendige Auseinandersetzung mit sich und dem anderen ist leider oft zum Scheitern verurteilt oder ist häufig ein langwieriger und anstrengender Prozeß.

Der standardisierte Fremde hat nicht viele Chancen. Anerkennung mit Mitleid vermischt wollen die Fremden eigentlich gar nicht gerne annehmen. Anerkennung durch soziale Wertsteigerung ist für die Fremden ein langer, langer Weg.

Man sollte sich im klaren sein, daß die Erwartung, sich eine andere Kultur anzueignen, tatsächlich kaum stattfinden kann, weil das auch einen Identitätsverlust bedeuten würde. Der verallgemeinerte Fremde merkt, daß dadurch seine Individualität zerstört wird. Er hat fast keinen Einfluß darauf und fühlt sich ausgeliefert.

Man sollte sich nicht wundern, wenn er die Symbiose eines behütenden Kolonialismus auch nicht unbedingt haben will. Das Wort „fremd“ hat für ihn die Bedeutung des Angegriffenseins. Der Einheimische versucht, quasi unbewußt, den Fremden zum Eigenen zu machen. Wenn dies nicht gelingt, scheitern meistens auch die Beziehungen. Und nicht nur die ehelichen! C. Berrak Güler-Hubert

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