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Der sonntaz-Streit„Lobbyisten sind überall“

Politiker werden von Interessensgruppen beeinflusst. Können sie beide Bereiche nicht voneinander trennen wird es problematisch, wie der Fall Pofalla zeigt.

Nah bei Merkel, und vielleicht demnächst im Vorstand der Deutschen Bahn: Ronald Pofalla. Bild: dpa

Lobbyismus ist das Wesen von Politik. Davon ist zumindest Klaus Kocks überzeugt. Für den Kommunikationsberater, der im VW-Vorstand saß, ist die entscheidende Frage nur: „Ob die politischen Akteure das leugnen, indem sie die Interessen, die sie vertreten, hinter einem vorgetäuschten Gemeinwohl verstecken.“ Das Verwerfliche sei, dass sie so über ihre wahren Absichten hinweg täuschen, sagt Kocks im sonntaz-Streit.

Dass die Debatte über Lobbyismus nun wieder neu entfachte, liegt am möglichen Wechsel des früheren Kanzleramtministers Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn. Und das, obwohl noch unklar ist, ob es tatsächlich zu diesem Seitenwechsel kommt.

So ganz alleine stünde Pofalla nicht da, sondern würde sich einreihen in die Riege der Merkelgetreuen wie Eckart von Klaeden. Dieser ist seit Herbst Cheflobbyist von Daimler, erst im November hatte er seinen Sitz im CDU-Parteipräsidium niedergelegt, um Spekulationen über einen Interessenkonflikt entgegentreten.

Der Soziologe Hartmut Rosa hat meistens überhaupt keine Zeit - er hetzt von Vortrag zu Seminar, muss Interviews geben. Sein Thema? Entschleunigung. Wie viel Tempo das Leben verträgt, fragt er sich in der taz.am wochenende vom 11./12. Januar 2014 . Außerdem: Ein österreichischer Reproduktionsmediziner behandelt seine Patientinnen mit umstrittenen Methoden – da, wo sie erlaubt sind. Und: Warum stehen die Zeiger in der Uhrenwerbung eigentlich immer auf zehn nach zehn? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Oder Hildegard Müller, die seit 2008 Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist, nachdem sie drei Jahre lang Staatsministerin im Bundeskanzleramt war.

Lukrative Anschlussjobs

Im letzten Deutschen Bundestag gingen laut Lobbycontrol etwa ein Drittel der Abgeordneten bezahlten Nebentätigkeiten nach – darunter auch als Lobbyisten. Christina Deckwirth von Lobbycontrol beklagt, dass sich Politiker wie von Klaeden schon während ihrer Amtszeit lukrative Anschlussjobs als Lobbyisten sicherten.

Dabei beeinträchtige der Blick auf spätere Arbeitgeber ihre Unabhängigkeit. „Eine Demokratie braucht Politiker, die sich am Allgemeinwohl orientieren“, sagt sie, „die im Zweifel für den Verbraucherschutz statt für die Gewinninteressen Einzelner entscheiden.“

Wenngleich bereits viel über das Thema gestritten und polemisiert wurde - bemerkenswert selten hatte das auch Konsequenzen. Deshalb fordert der SPD-Abgeordnete Marco Bülow im sonntaz-Streit, klare Regeln. „Wir benötigen eine Begrenzung der Nebentätigkeiten, ein verpflichtendes Lobbyregister und eine Karenzzeit nach der politischen Tätigkeit – die allerdings nur für bezahlte Lobbytätigkeiten gilt.“

Bislang verpflichten sich zwar rund 40 Abgeordnete, ihre Nebenjobs und Beziehungen zu Lobbyisten transparenter zu regeln. Das ist aber ein selbstverpflichtender Verhaltenskodex. Gesetzliche Sperrfristen für Seitenwechsler gibt es nicht.

Die Streitfrage beantworteten außerdem Rudolf Speth, Politologe und Mit-Autor von „Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland“, Friedrich Ostendorff, der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, und taz-Leserin Sylvie Rebmann – in der taz.am wochenende vom 11./12. Januar.

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3 Kommentare

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  • RW
    Rainer Winters

    Es kann nur heißen: Control Lobby - Lobbycontrol - www.lobbycontrol.de.

     

    Doch ist Lobbyismus wichtig, ja das sammelnde elementare Wesen von politischen Inhalten der Zukunft.

     

    Was geändert werden muss: Jeder lobbyistische Akt muss für alle einlesbar protokolliert werden.

     

    Nur dies kann zu einer gerechten Gesellschaft führen.

  • F
    Frost

    Wenn man dieses Missbrauchte nicht haben will,dann sollte man es auch nicht wählen. Vor den Wahlen versprechen sie dem Volk "Das blaue vom Himmel". aber nach den Wahlen(wie immer), sind sie "Zäpfchen" der Lobbyisten. Man schaue sich doch nur mal um:Versicherungen,Energie-Konzerne,Pharma-Industrie-Banken... alle machen was sie wollen. Regelrechte Trottel,die Politiker. Lieber gesponsert und freiwillig gaga, als Rückgrat zeigen. Kein Wunder,dass die Jugend sich totsäuft,wenn sie diese "Vorbilder" täglich auf der Mattscheibe sehen.

    • @Frost:

      Vor der Wahl weiß man bekanntlich noch nicht, was der gewählte Kandidat bzw. die zukünftig Partei oder Koalition danach „umsetzt“. Wenn es stimmt , dass im Fall des umstrittenen Pofalla irgendwann in nächster Zeit ein Wechsel in den Vorstand der Bahn bevorsteht, würde der schon jetzt überall bekannte sechsstellige zukünftige Monatslohn die normalen Leute im Land auf die berühmte Palme bringen, obwohl der Aufsichtsratschef der vermeintlich zukünftigen neuen Firma weder den Posten, noch die Personalie kennt, die diesen zukünftig besetzen soll ! Für das Parken seines angeeigneten politischen Insiderwissens als langjähriger Edelhelfer der Bundeskanzlerin wäre die DB allerdings bestimmt nicht der idealste Standort. Auch mir ist natürlich noch genau bekannt, als Pofalla nach Schröders plötzlichem Wechsel aus der obersten Politiketage in das lukrative Oelgeschäft diesem „fehlenden politischen Anstand“ nachsagte.

      Wenn nicht zeitnah mindestens gesetzesmäßig eine zwei Jahre lange Bedenkzeit zwischen dem Ende des vom Volk gewählten „Staatsdienen“ und einer persönlich gesuchten Flucht in die jeweils wirtschaftlich bestens vorbereitete Nische für eine Anhäufung von Geld und persönlicher Freiheit bei gleichzeitig abnehmender Machtposition festgelegt wird, hat das Wort „Korruption“ auch in unserem Land noch sehr lange eine große Bedeutung!