: Der schwimmende Pilot
■ Der Hamburger Stefan Pfeiffer trainiert für seine vierten Olympischen Spiele Von Martin Nishant
Ein Hamburger hat die Möglichkeit, olympische Geschichte zu schreiben. Stefan Pfeiffer debütierte 1984 als 18jähriger in Los Angeles, in diesem Jahr will er bei Olympia in Atlanta wieder dabei sein.
Das Hamburger Schwimmidol, 1988 in Seoul Olympiazweiter über 1.500 Meter Kraul und zudem mehrfacher Welt- und Europameister, hatte sich nach dem Rücktritt von der aktiven Schwimmerlaufbahn ganz seiner zweiten Passion, dem Fliegen, verschrieben. Nicht nur spaßeshalber – der 30jährige leitet die Hamburger Außenstelle einer privaten Charterfluggesellschaft. Pfeiffer will in diesem Jahr den Pilotenschein machen, der ihn befugt, auch schwere Flieger über 5,7 Tonnen Gewicht durch die Lüfte zu befördern. „Fliegen ist mein Leben“, sagt Pfeiffer. Doch vom Schwimmen kann er nicht lassen.
Nach einem Videoabend, an dem er seiner Freundin die größten Erfolge präsentierte, keimte der Gedanke, erneut an den Olympischen Spielen teilzunehmen. So kehrte der Schwimmer vor sechs Monaten wieder an seine alte Wirkungsstätte, dem Olympiastützpunkt Dulsbergbad, zurück – nach fast drei Jahren Wettkampf- und Trainingspause: „Mich reizt das einfach: In einem Jahr von Null auf Hundert, dann ist Atlanta drin.“
Zweimal täglich trainiert er seitdem im Olympiastützpunkt, dem Leistungszentrum der SG Hamburg, um im Sommer in den USA zum vierten Mal dabei zu sein. Er wäre der erste Deutsche, dem dieses gelänge – und die Zeichen stehen gut. Vorige Woche schwamm die SG Hamburg, allen voran Stefan Pfeiffer, bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften auf den zweiten Platz. Gute Chancen hat Pfeiffer auf einen Platz in der Staffel über 4 mal 200 Meter Freistil, doch auch im Einzel über 400 Meter Freistil macht er sich Hoffnungen.
Dafür ist hartes Training nötig. Morgens um sechs Uhr beginnt die erste Einheit. Drei Stunden später sitzt er in seinem Büro in Fuhlsbüttel. Nach der Arbeit fährt Pfeiffer zur zweiten Trainingseinheit. Auf hundert Kilometer die Woche im Bassin kommt er problemlos. Doch nicht nur die Quantität ist maßgebend. Mit Glen Christiansen hat Pfeiffer einen Trainer, der selber einmal Weltranglistenerster war und für seine professionelle Arbeit bekannt ist.
Das Wort Disziplin mag Pfeiffer nicht, doch danach zu leben, scheint ihm einfach zu fallen. So nutzte er die schwimmfreie Zeit nicht etwa, um sich dem Nachtleben zu widmen. Statt dessen lernte er die theoretische Basis für sein Pilotendasein. Als die ersten Ringe am Bauch zu sehen waren, wußte Pfeiffer jedoch, daß es an der Zeit war, körperlich wieder etwas zu tun. „Ich wollte mich einfach mal wieder so richtig fit fühlen“, beschreibt Pfeiffer seine Motivation dafür, wieder ins Schwimmbecken einzutauchen.
Nach einigen guten Zeiten wuchs auch der Respekt der Geg- ner, die Pfeiffers Comeback zuerst belächelt hatten. „Andere Schwimmer haben ihren Leistungszenit schon erreicht, bei mir ist eine weitere Steigerung möglich“, bewertet der Schwimmer seine Möglichkeiten optimistisch.
Stefan Pfeiffer hat ein Talent, um das ihn viele beneiden. Die stoische Ruhe zeugt von selbstsicherer Routine, die in entscheidenden Momenten von Vorteil sein könnte. Doch obwohl sein Trainer ihm absolute Fitneß attestiert, wird Pfeiffer die Zeit gut nutzen müssen, wenn er sich bei den Deutschen Einzelmeisterschaften im Mai in Braunschweig für Olympia qualifizieren will – die Konkurrenz ist stark.
Ende März geht Pfeiffer erstmal ins Trainingslager nach Zypern. Danach gibt es in Göteborg den ersten wichtigen internationalen Vergleich. Dann wird sich herausstellen, ob der Pilot Stefan Pfeiffer, Weltklasseschwimmer von einst, das Leistungsniveau besitzt, um noch einmal den olympischen Geist erleben zu dürfen. Um seinen guten Ruf fürchtet er bei Mißerfolg nicht, im Gegenteil: „Was ich den anderen voraus habe, ist, daß es mir im wesentlichen nur um den Spaß geht.“
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